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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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oberen Teil des Flußufers zuführende Ecke.
    »Nun sieh einer das tolle Mädchen an!« sagte endlich Mrs. Dayton, während der Squire im ersten Augenblick einen raschen, fast unwillkürlichen Schritt nach der Tür getan hatte, als ob er sie zurückhalten wollte, jetzt aber wieder langsam zum Fenster trat. »Kein Pferd ist ihr zu wild und unbändig, sie muß es besteigen. Was sie nur wieder vorhaben mag? Sie wird es so lange treiben, bis sie einmal wirklich Schaden nimmt.«
    Der Richter blickte sinnend der Richtung nach, welche die Reiterin genommen hatte. Was wollte Adele dort? Weshalb trieb sie ihr Pferd zu so wilder, entsetzlicher Eile an? War etwas vorgefallen, das ihn selbst bedrohte?
    »Dayton!« rief seine Frau, die sich jetzt gegen ihn umwandte. –
    »Du siehst totenbleich aus; fehlt dir etwas?«
    »Mir?« sagte der Squire und bog sich mit einem krankhaft gezwungenen Lächeln zu ihr nieder. »Mir? Was soll mir fehlen, du wunderliches Kind? Nur den Kopf habe ich voll von all dem Lärm und Treiben dieser guten Stadt. – Mir wird dieses wilde, ruhelose Leben nachgerade verhaßt.«
    »Ach, Georg!« flüsterte die junge Frau und schmiegte sich leise an den Gatten an. »Wie oft ist es lange, lange Nächte hindurch, die du fern von mir weilen mußtest, mein heißer, inniger Wunsch gewesen, daß du dieses Leben wirklich verlassen möchtest. Sieh, du bist hier geachtet und geehrt, bist der Erste in dieser Stadt, und ich kann begreifen, daß der Ehrgeiz einen Teil an dem Herzen des Mannes haben muß, wie er dem des Weibes fremd sein sollte; aber deine Gesundheit leidet, deine Kräfte reiben sich auf; Ärger und mühevolle Arbeiten und Pflichten rauben dir jede Ruhe und halten nächtelang den Schlaf von deinen Augen. Ach, wenn du dich losreißen könntest von all diesem Schaffen und Treiben, wenn dir das Herz deines Weibes genügte, das nur durch dich, nur in dir seine Seligkeit findet!« Sie barg das Haupt an seiner Brust, und viele Sekunden lang hielt er sie fest, fest umschlungen; aber ein anderes, wunderbares Gefühl überkam ihn. Seine Züge verloren das Finstere und Starre; seine Blicke hafteten sinnend mit einem neuen, belebenden Glanze auf dem liebend an ihn geschmiegten Haupte seines Weibes; seine Hand, die ihre schlanke Gestalt umschloß, zitterte, und bunte, freudige Bilder waren es, die plötzlich in seiner Seele vorüberglitten. Dort in weiter Ferne, auf einsam gelegener, meerumtoster Insel, unter Palmen und Blütenhainen erstand eine Hütte. Milde Lüfte fachelten seine Wangen; an seiner Seite ruhte sein treues Weib, und der Ozean wälzte sich zwischen ihm und seinen Verbrechen; die mächtige Flut wusch und tilgte die Vergangenheit. Und die Gegenwart? Ein Eden erstand ihm in jedem neuen sonnigen Tage. Noch war es Zeit, – noch war der letzte entscheidende Schritt nicht geschehen, noch hatte ihn das Verderben nicht ganz in die ehernen Arme geschlossen.
    Er bog sich nieder zu ihr: seine Lippen preßten sich fest und innig an ihre reine Stirn, und dort – ha! War das eine Träne die dem Auge des finsteren Mannes einen so herrlichen Glanz verlieh? War es eine Träne der Reue, die ihn noch durch den Kuß der Peri mit dem Himmel verband?
    »Hedwig!« flüsterte er, und sein Arm zog sie inniger an sich. Da läutete draußen die erste Glocke des ›Van Buren‹. – Das Boot rüstete sich zur Abfahrt. – In kaum einer Viertelstunde verließ es den Landungsplatz. In wenigen Tagen konnte er in Louisville sein, und floh er von dort aus unter fremdem Namen nach irgendeinem der östlichen Hafenplätze, so war es unmöglich, ihn zu verfolgen. – Der nächste Monat schon sah ihn frei, auf offenem Meere; Tod und Verderben lagen hinter ihm; – er war gerettet!
    »Hedwig«, flüsterte er, und die Erregung dieser neuen, mächtigen Gefühle drohte fast, ihn zu ersticken; seine Lippen zitterten, als sie die flüsternden Worte sprachen. – »Hedwig, ich bin deiner unwert, ein Sünder bin ich, den du reiner Engel zu dir emporziehen solltest; – aber ich muß fort – fort von hier, oder ich bin verloren, – für immer und ewig verloren. Doch jetzt, jetzt ist es noch Zeit, – noch ist Rettung möglich. – Hörst du den Laut jener Glocke? Nur Minuten noch, und das stolze Boot, das sie trägt, braust in gewaltiger Kraft dem Norden zu. Jetzt – jetzt ist es mir noch möglich, mich loszureißen von allem, was mich bindet; – in der nächsten Stunde wäre es vielleicht zu spät. – Willst du mich retten, Hedwig, retten

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