Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
kleinen Blockhütten, einem ziemlich geräumigen Warenhause und fünf dicht aneinandergebauten und verbundenen Pferdeställen bestand. Das Ganze bildete eine Art Hofraum und war nach Art der indianischen Forts so gebaut, daß es gegen einen plötzlichen Angriff, selbst einer Übermacht, recht wohl verteidigt werden konnte. Das Warenhaus und eine der kleinen Blockhütten dicht daran standen in der Mitte, und ringsherum bildeten auf der Ostseite, nach dem Mississippi-Staat zu, die Ställe eine feste, undurchdringliche, aber wohl mit Schießscharten versehene Wand, während auf der westlichen, minder bedrohten Seite nur hohe und doppelte Zäune die einzeln stehenden Gebäude miteinander verbanden. Als besonderen Schutz betrachteten aber die Insulaner eine lange Drehbasse[leichte drehbare Schiffskanone] aus Messing, die oben auf dem platten Dache des Warenhauses angebracht war und mit der sie, als letztes Rettungsmittel, Tod und Verderben auf ihre etwaigen Angreifer hinabschleudern konnten.
Der Raum vor dem Warenhaus und der kleinen Blockhütte, in welchem der Kapitän mit seiner Frau wohnte, war frei und jetzt in der Sommerzeit mit großen, buntgestreiften Sonnenzelten bespannt. In den übrigen Häusern aber wohnten – das obere, breit und geräumig gebaute ausgenommen, das zu einer gemeinschaftlichen Junggesellenwirtschaft bestimmt blieb – die ›verheirateten Glieder der Gesellschaft‹. Dieses ›Junggesellenhaus‹, oder ›Bachelors' Hall‹ , wie es gewöhnlich genannt wurde, diente denn auch als gemeinsamer Versammlungsort. Nur bei geheimen Beratungen kamen die Führer der Schar in einem kleinen, zu diesem Zweck eingerichteten Kämmerchen des Warenhauses zusammen, um dann erst die gefaßten Beschlüsse später in Bachelors' Hall zur Abstimmung zu bringen.
Der Kapitän übte jedoch eine eigene, fast unbegreifliche Gewalt über diese wilden, gesetzlosen Menschen aus, die sonst nichts auf Erden anerkannten als ihre eigenen Gesetze. Er hatte freilich auch verstanden, sich auf die einzig mögliche Art Achtung zu verschaffen, und zwar durch das Übergewicht seines Geistes, wie auch durch mehrfach bewiesenen persönlichen Mut, der wirklich an Tollkühnheit grenzte. Sie fürchteten ihn deshalb fast so sehr, wie sie ihn ehrten, und Kapitän Kelly war ein Name, der nie in Scherz oder Spott genannt werden durfte.
Nur zwei begangene Wege führten zu diesem durch ein scheinbar natürliches Bollwerk beschützten Zufluchtsorte von Verbrechern. Der eine lief vom Ufer aus, und zwar dicht unter den schon erwähnten künstlichen Snags, zuerst gerade der Mitte der Insel zu, und bog dann, ziemlich betreten, ein klein wenig links ab. Der war aber nur dazu bestimmt, um selbst dann noch den Eindringling irrezuführen, wenn er den Pfad selbst entdeckt hätte; denn er brachte ihn in einen kleinen Sumpf, in dem er unfehlbar versinken mußte, wenn er sich nicht rechtzeitig wieder zurückzog. Der wirkliche Weg dagegen lief, durch darübergeworfene Äste verdeckt, fast in einem rechten Winkel rechts ab und traf das ›Fort‹ gerade unter dem fünften Stall. Eine andere rein gehaltene und ordentlich ausgehauene Straße lief von der Südostseite des Forts an der rechten oder Ostseite des Sumpfes hin und gerade der Südspitze der Insel zu, wo er zu den hier sorgfältig versteckten und für den letzten Notfall aufbewahrten Booten führte. Doch war von hier aus kein Angriff auf das Fort zu fürchten, da ein einziger richtig gefällter Baum jede Bahn vernichtet hätte. Eine Verteidigung des Forts konnte überhaupt nur als verzweifeltes Mittel betrachtet werden, um genügend Zeit zu gewinnen, die Boote zu erreichen. Der Haupt- und alleinige Schutz der Gesellschaft blieb das Geheimnis, in das ihre ganze Existenz gehüllt war, und das zu bewahren mußte auch vor allem übrigen ihr wichtigstes Streben sein.
Fürchterliche Eide verbanden die Genossen, und so weit verzweigt und so innig miteinander verkettet waren die einzelnen Glieder, daß der, der den Bund wirklich hätte verraten wollen, nie wußte, ob der, dem er vertraute – und wenn er Richter oder Rechtsgelehrter war –, nicht selbst mit zur Verbrüderung gehörte und ihn, den Verräter, seiner Strafe überantwortet hätte. Dabei bot die Insel stets dem von den Gerichten Verfolgten einen sicheren Zufluchtsort, und war er einmal dort, blieb jedes Nachforschen der Konstabler vergebens. Es hieß dann gewöhnlich, der Flüchtling sei nach Texas entkommen, während er noch sicher und ruhig
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