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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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dachte natürlich niemand. Aus der Ferne sahen sie auch täuschend genug aus, und nur ganz in der Nähe und nach genauer Untersuchung hätte man dem Geheimnis auf die Spur kommen können. Wer von den Schiffern würde aber seine Zeit daran verschwendet haben? Das starre, aus dem Wasser aufragende Holz war ihnen genug, und so weit wie möglich beschrieben sie den Kreis, der sie aus der Nähe solcher ›Bootsvernichter‹ bringen sollte.
    Die ziemlich nahe zum linken Ufer gelegene Insel war drei englische Meilen lang, oben recht breit und auf dieser Seite von einer Menge angeschwemmter Stämme förmlich eingezäunt, und lief am unteren Teile spitz zu. Dort hatte sich aber eine ziemlich bedeutende, wohl eine volle Meile stromabgehende Sandbank gebildet, die unter dem Wasser hin zu einem eine halbe Meile tiefer gelegenen Eiland führte. Im ganzen wurde dieses noch mit zu Einundsechzig gezählt, da das Wasser zwischen beiden zu seicht war, um größeren Flatbooten eine Durchfahrt zu gestatten, in Wirklichkeit war es aber von der oberen größeren Insel, selbst beim niedrigsten Wasserstande, vollkommen getrennt und wurde, wenn im Juli das Schneewasser aus den Felsengebirgen herabkamen, oft gänzlich von diesen bedeckt. Die Insulaner nannten das kleine Eiland übrigens, da sie es für den Fall einer Entdeckung als letzte Zuflucht betrachteten, die ›Notröhre‹.
    Noch besseren Schutz genoß Nr. Einundsechzig von der West- oder der rechten Seite des Flusses. Hier umgab sie zuerst eine ziemlich hohe Sandbank, die etwa zweihunde Schritte vom Hauptufer der Insel wiederum in einen schmalen, mit Weiden und Baumwollholzsprößlingen dichtbewachsenen Landstreifen auslief. Dieser zog sich fast parallel und in gleicher Länge mit der Insel hin, wurde aber auch seinerseits wieder am rechten Ufer durch eine jedoch nur wenige Klafter breite Sandfläche geschützt.
    Demnach konnte man sich dieser Insel nur von der linken oder Ostseite nähern, wo ihr nächstes Ufer der Staat Mississippi war, und hier hielten die getroffenen Vorkehrungen sicherlich jeden vom Landen ab, der dazu früher Lust gehabt haben mochte. Die eigentliche Strömung und das Fahrwasser des Mississippi lag denn auch ganz auf der rechten Seite der Insel, und die Entfernung zwischen jenem schmalen Zwischenstreifen und Arkansas betrug eine englische Meile, der Raum zwischen Einundsechzig und dem Staat Mississippi aber kaum die Hälfte dieser Entfernung.
    An den beiden der Insel gegenüberliegenden Ufern standen nun allerdings ein paar niedere Blockhäuser, wie sie die Holzschläger am Mississippi gewöhnlich aufrichten, um die geschlagenen Klaftern an die vorbeifahrenden Dampfschiffe zu verkaufen. Sie waren aber nur selten bewohnt und auch wirklich fast unbewohnbar geworden. Das in Arkansas stehende hatte nicht einmal mehr ein Dach und drohte dem nächsten Sturmwind nachzugeben, der es unfehlbar in den Strom hinabstürzen mußte. Etwas besser erhalten zeigte sich die Wohnung auf der Mississippi-Seite, jedoch glich sie ebenfalls viel eher einem Stall als einem menschlichen Aufenthalt. Zahlreiche Pferdespuren gaben auch Zeugnis, daß sie hierzu oft genug benutzt worden war, und mehrere vielbegangene Pfade führten östlich auf einen Sumpf zu, in dessen schlammigem, fast zehn Monate im Jahre unter Wasser stehendem Boden sie sich verloren.
    Wer nun trotz all der getroffenen Vorsichtsmaßregeln zufällig an der Insel gelandet und nicht gleich auf den einzigen gangbaren Pfad gekommen wäre, der hätte seine Bahn mehrere hundert Schritt weit durch den fürchterlichsten Schilfbruch hin suchen müssen, der nur je eine Insel oder ein Festland bedeckte. Dazwischen lagen dann nicht gefällte, sondern mit der Wurzel dem Boden entrissene Stämme so wild und toll durcheinander, daß niemand auch nur hoffen konnte, dieses Pflanzengewirr zu durchdringen, wenn er sich nicht mit Messer und Axt erst Bahn in das Herz der Waldung hieb. Da aber durch solch entsetzliche Arbeit nicht der mindeste Vorteil zu hoffen war, so fiel es natürlich auch gar niemandem ein, Zeit und Mühe daran zu verschwenden. Wer wirklich einmal aus Neugierde oder Langeweile begonnen hätte, einen solchen Weg anzutreten, wäre gar bald bei einem Geschäft ermüdet, das ihm weiter nichts zu vesprechen schien als zerrissene Kleider und Blasen in den Händen.
    Dennoch lag hier – so tief versteckt und schlau angelegt, daß sie selbst den scharfen Augen der Jäger entging – eine ganze Ansiedlung verborgen, die aus neun

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