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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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erregter Stimme, – »Sie – Sie wollen uns also verlassen?«
    »Ja, Mr. Lively«, erwiderte das junge Mädchen, und ein eigenes schelmisches Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel; »Mr. Hawes hier will mich auf seine neugekaufte Plantage führen zu zu seiner Schwester.«
    Hätte ein zündender Strahl in diesem Augenblick vor James Lively den Boden aufgerissen, ihm hätte das Blut in den Adern nicht schneller gestockt. Sie wollte Mr. Hawes' neugekaufte Plantage besehen, – seine Schwester besuchen; – armer James, da war für dich wenig Aussicht! Er fühlte, wie sein Blut aus den Wangen wich und jeder Tropfen in das erstarrende Herz zurückkehrte. Gleich darauf aber preßte es ihm mit nicht zu dämmender Gewalt wieder aufwärts in Stirn und Schläfe, und er sprang von seinem Sitz empor, um seine Bewegung zu verbergen. »He, James, wo willst du denn hin?« fragte der Vater.
    »Das übrige Hirschfleisch hinters Haus schaffen«, rief der Davoneilende zurück; – »es hängt hier vorn zu niedrig; am Ende könnten sich doch die Hunde darüber hermachen.«
    »Da hast du recht«, sagte der Alte; – »daran hätte ich beinahe nicht gedacht. Da ist's uns hier einmal vor vierzehn Tagen beinahe komisch ergangen. – Die Geschichte muß ich Ihnen erzählen, Mr. Hawes.« Und der vermeintliche Mr. Hawes, der mit einem höchst selbstzufriedenen Lächeln bemerkt hatte, wie und weshalb James aufgestanden und hinausgegangen war, lieh sein Ohr geduldig der Anekdote von einem erlegten Hirsch und den damit verknüpften Umständen. In der Tat aber lauschte er mit der gespanntesten Aufmerksamkeit den Worten der Damen Dayton und Lively, die sich über eine Familie des Staates Georgia unterhielten, mit der Mrs. Dayton und Adele entfernt verwandt waren und wo das junge Mädchen erzogen und wie das Kind im Hause behandelt worden war.
    »Sie können sich fest darauf verlassen, Mrs. Dayton«, beteuerte die alte Dame, »Lively hat erst vorgestern einen Brief von da erhalten. – Lieber Gott, wir sind ja dort sechzehn Jahre ansässig gewesen und kennen jedes Kind. Der alte Benwick soll seine Frau nur dreimal vierundzwanzig Stunden überlebt haben, und das Testament ist dem Schreiben nach schon am Mittwoch eröffnet worden. – Sie können mit jeder Stunde Nachricht erhalten.«
    »Es kamen heute morgen zwei Briefe an meinen Mann«, sagte Mrs. Dayton, »das schienen aber Geschäftsbriefe zu sein; er hätte doch sonst gewiß etwas erwähnt.«
    »Ei, die Gerichte nehmen sich auch bei so etwas Zeit, meine gute Mrs. Dayton«, sagte Mrs. Lively, »so geschwind sind die nicht im Nachrichterteilen, besonders wenn's darauf ankommt, Geld außer Land zu schicken.«
    »Welche von den beiden wäre Ihnen nun lieber gewesen?« wandte sich jetzt der alte Lively plötzlich, und zwar so direkt an seinen bis dahin nichts weniger als aufmerksamen Zuhörer, daß dieser, fast wie auf einem Abwege ertappt, zusammenfuhr und nur noch Geistesgegenwart behielt, die Frage ins Blaue hinein zu beantworten.
    »Die erste, unbedingt die erste.«
    »Nun sehen Sie, das freut mich«, sagte der alte Mann, »das war auch meine Meinung. – James, sagte ich, du mußt unbedingt die erste nehmen, und soll mich der Henker holen, wenn er's am Ende nicht doch noch gewann.«
    »Wunderbar«, sagte Sander zerstreut und hatte keine Idee, welche letzte und erste da gemeint und was eigentlich zu gewinnen gewesen war. Adele aber, die sich so plötzlich, allerdings etwas durch eigene Schuld, von ihren beiden Nachbarn vernachlässigt sah, setzte sich hinüber zu Mrs. Cook, die eben die müden Kinder zu Bett gebracht hatte. Als sie nun bald nach dem und jenem fragte und über dies und das mit ihrer kindlichen Gutmütigkeit plauderte, gewann sie das Herz der jungen Frau so sehr, daß diese endlich mit einem freundlichen Händedruck ausrief: »Ach, Miß Adele, wie wünschte ich doch, daß Sie hier draußen bei uns blieben und eine wackere, tüchtige Farmersfrau würden. Sie sollten einmal sehen, wie es Ihnen bei uns gefiele. – Es ist gar zu hübsch hier, besonders im Frühjahr und Sommer, wenn sie in den Städten fast vor Hitze und Staub umkommen.«
    »Mir gefällt es auch recht gut auf dem Lande«, sagte Adele, – »ich bin« und eine leichte Röte färbte ihre Wangen, »ich bin am liebsten unter grünen Bäumen; aber wir armen Mädchen, Mrs. Cook, müssen ja doch am Ende stets dahin gehen, wo uns das Schicksal hinwirft, und ein Glück noch, wenn wir dabei der Stimme des Herzens folgen

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