Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
dürfen.«
»Ja, Miß Adele, das ist ein Glück!« sagte die wackere Frau. – »Sie glauben gar nicht, wie leicht und gern man alles Überflüssige entbehren lernt, wenn man nur bei dem sein kann, den man so recht liebgewonnen hat. – Es wird einem auch alles noch einmal so leicht, und Arbeiten, von denen man sonst gar nicht geglaubt hat, daß man sie verrichten könnte, tun sich fast von selber. Und nun erst die Kinder! Ja, in den lieben Dingern wird man selbst noch einmal wieder jung.«
»Haben Sie Ihre alte Farm ungern verlassen?« fragte Adele.
»Wir? Ih nun, ja und nein«, sagte Mrs. Cook; »es war herrliches Land am Fourche la Fave, und nach all dem Vorgefallenen ließ es sich erwarten, daß wir nun vor dem schlechten Gesindel dort Ruhe haben würden. Aber dann lebten doch hier die Eltern und der Bruder, und Vater, Mutter und James sind so liebe, treffliche Leute, da glaubten wir denn beide, es sei besser, in deren Nähe zu wohnen und sie zu Nachbarn zu haben. Vielleicht sucht sich dann James mit der Zeit auch ein Mädchen aus, das ihn gern hat, und dann könnten wir eine ganz prächtige kleine Kolonie bilden; o Miß Adele, wenn Sie nur dann in die Nähe kämen!«
»Kommt, Kinder, es ist Zeit zum Schlafengehen!« sagte da plötzlich der alte Lively, der seine Geschichte glücklich zu Ende gebracht hatte und nun müde geworden war. Der alte Mann hielt überhaupt ziemlich regelmäßige Zeiten ein, und da des engen Raumes wegen der männliche und weibliche Teil der Gäste für diese Nacht in verschiedenen Häusern untergebracht werden mußten – die Damen sollten nämlich in Livelys, die Männer in Cooks Wohnhaus schlafen –, so konnte er selbst nicht eher zur Ruhe kommen, bis die anderen nicht ebenfalls ihre Schlafstätten angewiesen bekommen hatten. Mrs. Dayton, die seine Gewohnheit kannte, schob deshalb auch ihren Stuhl zurück und gab damit das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch. Adele sprang ebenfalls auf; als aber ihr Blick den kleinen Raum schnell durchfliegen wollte, begegnete er plötzlich, und zwar dicht neben sich, dem Auge James', das sich freilich, als ob es auf einer Freveltat ertappt wäre, schnell und schüchtern abwandte; Adele aber, mit dem ähnlichen Gefühl eines begangenen Fehlers, fürchtete fast, und wußte selbst doch eigentlich nicht warum, ihn beleidigt zu haben, und sagte leise: »Mr. Lively, – ich – Sie sind wohl böse auf mich, daß ich die freundliche Einladung Ihrer Eltern so wenig zu schätzen scheine und schon morgen wieder fort will. – Es ist aber eine liebe Jugendfreundin von mir, die ich seit ihrer Verheiratung nicht gesehen habe, und – wenn ich Mrs. Lively nicht zur Last falle, dann komme ich recht bald wieder heraus – und bleibe dann auch wohl längere Zeit hier. – Es gefällt mir recht gut hier draußen, – viel besser als in Helena drin.«
»Sie sind zu gütig, Miß Adele«, erwiderte James in größter Verlegenheit; »wie sollte ich denn böse auf Sie sein dürfen? Ach – Sie wissen gar nicht –«
»Gute Nacht, Ladies«, sagte Sander und trat ohne weitere Umstände zwischen die beiden. »Gute Nacht, Miß, – schlafen Sie hübsch aus, denn wir haben einen scharfen Ritt vor uns.« Er ergriff die Hand des jungen Mädchens, drückte sie leise an seine Lippen und verließ schnell das Haus. James, der jetzt zu seinem Schrecken sah, daß er der letzte der Männer war und die Damen augenscheinlich darauf warteten, allein gelassen zu werden, folgte ihm ebenso rasch. Mehr aus alter Gewohnheit als zu irgendeinem andern Zweck nahm er noch seine Büchse und Kugeltasche über der Tür weg und mit zudem eigenen Lager hinüber. Er schlief nicht gern, wie er selbst gestand, ohne die Waffe in der Nähe zu wissen.
In Cooks Hause lag jedoch schon Williams Büchse über der Tür, und der junge Mann hängte deshalb seine Kugeltasche auf die Stuhllehne und stellte das treue Rohr in die Ecke neben sein Bett.
Kapitel 11
Um die folgenden Vorgänge richtig verstehen zu können, möchten wir uns lieber erst mit dem Terrain etwas näher bekanntmachen, auf dem Livelys und Cooks Farmen lagen.
Das ganze Mississippi-Tal, und besonders das westliche Ufer dieses ungeheuern Stromes, bildet eine nur selten von niederen Hügeln unterbrochene Sumpfstrecke, die oft in unzugängliche Moräste und Seen ausartet. Fast durchgängig besteht es aus zwar sehr fruchtbarem, aber so niedrig gelegenem Lande, daß es sowohl durch die Überschwemmungen des Mississippi wie der übrigen Ströme,
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