Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
geschäftige Treiben der ahnungslosen Farmer belauscht. Da endlich brach der eine von ihnen das Schweigen und wandte sich mit leise gemurmelten Worten zu dem andern. »Die Pest über das schlabbernde, plappernde Volk!« sagte er mit vorsichtig gedämpfter Stimme. – »Ist's denn nicht gerade, als ob Franzosen und Indianer hier ihr Nachtlager hielten? Höre, Dan, mir gefällt der Platz überhaupt nicht; muß uns auch heute gerade der Teufel herführen, wo die ganze Nachbarschaft zusammengekommen ist und die Hunde mitgebracht hat! Wenn uns die Bestien erst einmal wittern, dann gute Nacht – Ich glaube, wir setzen uns hier ganz unnütz einer großen Gefahr aus.«
»'s ist nicht so schlimm, wie Ihr denkt«, sagte der andere, indem ein grimmiges Lächeln seine dunklen Züge überflog, »dicht nebenbei fließt der Bach; mit wenigen Sätzen können wir drin sein, und wie der Wind jetzt steht, so ist zehn gegen eins zu wetten, daß sie uns gar nicht wittern können. Übrigens habt keine Angst um mich; es wäre das erste Mal, daß ich bei solchem Spaß erwischt würde; nein, ich halte mein Wort und hole Euch eine Büchse; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Wenn ich nur nicht einen so nichtswürdigen Hunger hätte!«
»Hunger, – immer Hunger und Essen, und Essen und Hunger!« murrte ärgerlich sein Gefährte. – »Wenn ich nur Waffen hätte, ich wollte gern hungern.«
»Essen und Hunger?« rief der Mulatte, der jetzt zu dem bleichen Antlitz seines weißen Kameraden emporsah. »Wann habe ich denn das letzte Mal gegessen, Massa Cotton, und was war das? Mais – harter Mais, den ich aus einer Dachkammer stehlen mußte und wofür ich die zwei Schrotkörner noch im Schenkel trage. Sind wir nicht jetzt ein paar Wochen lang wie die wilden Bestien gehetzt worden? Und tragt Ihr dabei nicht die meiste Schuld? Wir wären lange vergessen gewesen und hätten unsern Weg unbelästigt fortsetzen können; aber nein, da müßt Ihr den Reisenden mitten auf der Landstraße überfallen und wundert Euch nachher noch, wenn uns die Bevölkerung von drei Countys auf den Hacken sitzt und unsertwegen der ganze Staat in Aufregung ist. Überdies seid Ihr weiß und könnt immer noch eher, ohne gleich Verdacht zu erregen, in irgendeinem Hause einkehren und eine richtige Mahlzeit halten. Wenn ich mich aber mit meiner farbigen Physiognomie irgendwo blicken ließe, so wäre die erste Frage nach einem Paß und die zweite nach einem Konstabler. Nein, solch ein Leben habe ich satt, und ich will froh sein, wenn ich die Sklavenstaaten erst im Rücken weiß und die kanadische Erde unter den Füßen fühle.«
»Und ehe das geschieht, hast du noch manche Meile zu wandern«, murmelte der Weiße. – »Dan, Dan, du glaubst gar nicht, wie sie in Missouri und Illinois hinter den entlaufenen Negern her sind. Es ist entsetzlich schwer durchzukommen.«
»Ja, ja«, erwiderte der Mulatte sinnend, »ich habe schon oft daran gedacht; am Ende wär's doch noch besser, wir gingen auf die Insel. – Hölle und Verdammnis, ein Hund führt ja ein besseres Leben als wir hier! Es ist dann auch kein Wunder, daß man schlimmer wird, als man eigentlich ist, und ein Menschenleben nicht mehr höher achtet als eben das eines Wolfs oder Panthers.«
»Nein, – auf die Insel gehe ich nicht«, brummte Cotton, »wenigstens so lange noch nicht, als ich hoffen darf, auf andere Art zu entkommen. Es ist schon recht gut, daß man dort sein Leben gesichert weiß und von den Mühen und Strapazen, die wir beide zusammen durchgemacht haben, ausruhen könnte, aber der Schwur – und nachher ist man von lauter Spionen und Aufpassern umgeben, die immer nur darauf lauern, jemanden zu bekommen, durch dessen vielleicht unbedachtes, gar nicht so böse gemeintes Wort sie eine hohe Prämie gewinnen können; nein, das ist nicht meine Sache. Überdies traue der Teufel dem Kram; heute oder morgen nimmt die Sache einmal ein trübseliges Ende, und so viel Erfahrung habe ich doch auch in der Welt gesammelt, daß ich weiß, wenn irgendwelche bei solcher Gelegenheit die Zeche bezahlen müssen, so sind es stets die, die am wenigsten damit zu tun gehabt haben, die am wenigsten bekannt und vertraut mit dem Ganzen gewesen sind. Geht es indessen gar nicht anders, können wir auf keinem Boot den Verfolgern entgehen, gut, dann habe ich nichts mehr dagegen. Jetzt aber wollen wir erst einmal eine Reise nach dem Osten versuchen; denn dort vermuten sie uns gewiß am wenigsten. Sorge also nur für eine ordentliche Büchse;
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