Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
denn ich liege schon im Anschlag, und wenn er mir nur einen Zollbreit Raum gibt, sitzt meine Kugel.«
Kurze Zeit verharrten die drei in ihrer Stellung; denn auch die beiden Livelys hatten den Schuß gehört und wollten nun, ohne das eigene Leben irgendeiner nutzlosen Gefahr auszusetzen, erst einmal abwarten, welch Ergebnis Cooks Verfolgung gehabt hatte. Daß ihnen der Mulatte nicht mehr entgehen konnte, wußten sie recht gut, und James stieß jetzt seinen gellenden Jagdschrei aus, der auch nicht lange ohne Echo blieb. Die Büsche brachen in jener Richtung, nach welcher der Weiße geflohen war, und Sander sprengte auf schäumendem Roß durch das Dickicht.
Dan hörte ebenfalls das Geräusch und bog sich etwas nach vorn, um zu sehen, welch neuer Feind dort erscheine. Da berührte des alten Livelys Finger den Abzug, und der Schuß dröhnte durch den stillen Wald. Nun hatte Lively aber keineswegs auf den Mulatten gezielt, sondern nur ein locker hängendes Stück Rinde aufs Korn genommen, um den Flüchtling vielleicht zu erschrecken und zur Übergabe zu zwingen; der aber glaubte wahrscheinlich, daß er sich durch seine vorige Bewegung irgendeine Blöße gegeben hätte, sprang rasch und unwillkürlich nach vorn und vergaß dabei ganz, welch gefahrlicher Feind ihn hier bedrohte. Mit Blitzesschnelle richtete sich James' Rohr auf ihn, und in demselben Augenblick zuckte auch der Strahl aus der Büchse, während der unglückliche Mulatte, durch den Schenkel getroffen, wehklagend zu Boden stürzte.
Diese Wunde wäre allerdings nicht tödlich gewesen, sondern galt nur dem Zwecke, ›den Nigger zu fangen‹, wie es die Absicht der Hinterwäldler gewesen war. Jetzt aber sprengte mit wildem Schreien, die blonden Locken wild um die Schläfe flatternd, den feinen Tuchrock durch Dornen und Reben zerrissen, die Flinte aber hochgeschwungen in der Hand, Sander auf den Schauplatz. Er warf sich neben dem verwundeten Mann vom Pferde und schmetterte ihm auch schon im nächsten Moment den schweren Kolben auf den Schädel nieder, daß er nur noch kaum den Arm zum Schutz emporwerfen konnte und dann von dem gewaltigen Schlage besinnungslos zusammenbrach. Sander aber war damit keineswegs zufrieden und holte aufs neue aus; jetzt aber hatte auch James den Platz erreicht und warf sich ihm entgegen.
»Halt, Sir, halt, sage ich; – ist es bei Euch Sitte, einen Menschen zu mißhandeln, wenn er verwundet am Boden liegt?«
»Die Pest über den Schuft!« schrie mit heiserer Stimme Sander und versuchte, sich von dem jungen Mann loszumachen. – »Laßt mich dem Buben den Schädel einschlagen, Mann, oder wollt Ihr einen von der Bande entkommen lassen, während Euer eigener Freund tot unten in der Schlucht liegt?«
»Was? – Cook?« rief James entsetzt und ließ den Arm des jungen Bösewichts frei, der rasch die schwere Waffe zum dritten Mal hob und schon mit zornblitzenden Augen die Stelle erspähte, wo er den Mulatten tödlich treffen könnte. Indessen war aber auch der alte Lively, nicht so flink mehr auf den Füßen wie sein Sohn, herangekommen, riß ohne weiteres die Schrotflinte aus des Wütenden Hand und warf sie weit von sich, trat dann zwischen ihn und den bewußtlosen Mulatten und rief ärgerlich: »Gottes Tod, Sir, wenn Ihr mit Gentlemen auf die Jagd reitet, so betragt Euch auch wie ein Gentleman! Der Gefangene hier gehört uns, und wir wollen ihn schon deshalb lebendig behalten, weil er uns über manches, was uns hier weggekommen ist, Aufschluß geben kann.«
»Er hat aber Euren Kameraden ermordet«, rief Sander dagegen. »Der kommt da eben über den Berg herüber«, erwiderte der Alte ruhig, und in der Tat kam Cook, der den Schuß gehört hatte, zu Fuß und mit blutender Stirn, seine eigene Büchse aber in der Hand, über den niedrigen Hügelkamm, der sich hier wellenförmig nach Nordwesten hinaufzog. Cook wollte jetzt aber vor allen Dingen wissen, weshalb Sander ihm nicht besser beigestanden und den Flüchtigen wenigstens mit seiner Schrotflinte in die Beine geschossen habe. Sander behauptete dagegen, viel zu weit entfernt gewesen zu sein. Überdies hätte er Cook für tödlich verwundet gehalten.
»Dann war es allerdings recht freundlich, mich allein zwischen den Steinen liegenzulassen«, brummte Cook. – »Doch wahrhaftig, – dort liegt der Mulatte! – Ist er tot?«
Mit wenigen Worten erzählte er nun den Hergang seiner Verfolgung und wie ihm unglücklicherweise im entscheidenden Augenblick das Pferd gestürzt sei. Weiter
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