Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
Cotton, der sich nicht einmal die Zeit nahm, die Wahrheit dieser Befürchtung selbst zu prüfen, ebenfalls nicht zurückblieb. Dans Ausruf sollte aber auch nur gar zu bald bestätigt werden; denn das Geräusch, das die durch das Dickicht brechenden Verfolger machten, wurde immer deutlicher, immer lauter, und nun konnte der Weiße sogar, als er den scheuen Blick zurückwarf, die Männer erkennen, wie sie laut rufend heranstürmten und in wenigen Minuten fast ihre Opfer einholen mußten. Cotton fühlte, daß er am Rande eines Abgrundes stand, erkannte aber auch, daß nur die einzige Hoffnung noch für ihn darin liege, die Aufmerksamkeit der Verfolger zu teilen. Wenig kümmerte es ihn dabei, ob sie den Neger erwischten oder nicht, wenn er nur seine eigene Haut in Sicherheit brachte; und als Dan jetzt wenige Schritte vor ihm am Rande einer schroff abfallenden Terrasse hinfloh, warf er sich plötzlich mit kühnem Satz den Hang hinunter, drängte sich dort durch ein dichtes Gewirr von Kastanienbüschen und Hickories und glaubte, so die Verfolger gänzlich von seiner Spur abgebracht zu haben. Das wäre ihm vielleicht auch vollkommen gelungen; denn kein Pferd konnte ihm gerade da folgen, wo er den Bergkamm verließ. Cooks scharfes Auge hatte aber schon seine eigene Büchse auf des Flüchtenden Schulter und ihn selbst als den berüchtigten Cotton erkannt; mit jedem Zollbreit Boden vertraut, setzte er also gleich da, wo er sich befand, den Hügel hinab, um Cotton den Weg abzuschneiden, und Sander, der seinerseits ebenfalls mehr Interesse an dem Weißen als an dem Neger hatte, folgte dem kühnen Jäger, so gut es gehen wollte.
Nun war der Weg, den Cotton eingeschlagen hatte, so wild verwachsen und felsig rauh, daß er für ein Pferd fast unzugänglich schien. Cook aber, der von Jugend auf an die rasenden Bärenhetzen gewöhnt war, sah in diesem Ritt gar nichts Außerordentliches und folgte mit einer Nichtachtung der Gefahr, die Sander mehrere Male dazu brachte, sein eigenes Pferd scharf einzuzügeln. Das half ihm aber gar nichts; die beiden Tiere schienen einen Wettlauf halten zu wollen, und alles, was ihm zu tun übrig blieb, war, sich im Sattel zu behaupten.
Cotton hatte wieder, durch die Unebenheit des Bodens begünstigt, einen kurzen Vorsprung gewonnen; jetzt aber, wo eine etwas offenere Bahn den Pferden Vorteile gewährte, schien sich seine Flucht ihrem Ende zu nähern. Cook war ihm dicht auf den Fersen und rief ihm schon zu, er solle sich gutwillig ergeben, oder er würde ihn wie einen Wolf über den Haufen schießen. Dabei hatte er die größte Mühe, Bohs zurückzuhalten, der sich immer wieder auf den Flüchtigen werfen und ihn fassen wollte. In dessen Hand blitzte aber der scharfe Stahl, und Cook wußte recht gut, daß sein wackerer Hund verloren gewesen wäre, hätte er sich dem Verzweifelten auf Armeslänge genähert. Aber auch Cotton fürchtete nicht die Büchse des Verfolgers, denn diesem blieb ja keine Zeit zum Halten, viel weniger zum Zielen, und im Walde vom Pferde herab zu schießen, wäre einfach eine weggeworfene Kugel gewesen. Das Pferd gewann aber mit jedem Sprung Boden, und er sah, daß er in wenigen Sekunden in der Macht seines Feindes sein müsse, wenn er, um das eigene Leben zu retten, nicht das des Verfolgers auslöschen konnte.
Kaum drei Pferdelängen waren die beiden noch voneinander entfernt, da wandte sich der Flüchtling; sein Auge sprühte Feuer, die Büchse fuhr mit Blitzesschnelle empor, und Cooks Leben schien verfallen, denn Cotton war ein ausgezeichneter Schütze. Die rasche Flucht aber hatte sein Blut in Aufregung gebracht; – große Schweißtropfen perlten ihm Stirn und Wangen hinab und trübten seinen Blick. Wohl richtete sich das todbringende Rohr auf den trotzig Heransprengenden; aber die zitternde Hand vermochte es nicht mehr fest und sicher zu halten, es schwankte hin und her, und als der Finger den Drücker berührte, zischte die Kugel harmlos an der linken Schläfe des Jägers vorüber und durchbohrte noch den Hut des nachfolgenden Sander.
Ein wildes, herausforderndes Triumphgeschrei von Cooks Lippen verriet, wie erfolglos der Schuß gewesen war, und noch einmal wandte sich der Verfolgte zur Flucht. Der Augenblick war gekommen, wo sich sein Schicksal entscheiden sollte. Cook versuchte zwar zu schießen, sah aber ein, wie zweifelhaft in diesen Verhältnissen ein Schuß sein mußte; er ergriff also das leichte Rohr am schlanken Lauf, hob es hoch empor und holte schon aus zum
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