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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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angenommen. Er strich sich die wirren Wollbüschel aus der Stirn und blieb, als das Boot langsam mit der Strömung hinabtrieb, mehrere Sekunden lang tief Atem holend stehen.
    Endlich warf er einen scheuen, trotzigen Blick zu dem grünen Dickicht zurück, das er eben verlassen hatte, griff dann wieder zu den Rudern und arbeitete sich langsam am arkansischen Ufer hinauf, um weiter oben zur Insel zurückrudern zu können.
    Nur einmal hielt er unterwegs an, und zwar, vor der Strömung geschützt, dicht hinter einem dort in den Strom gestürzten Baum, an dessen Ästen er seinen Nachen auf kurze Zeit anband. Hier wusch er sich den Oberkörper, scheuerte einzelne Teile des Bootes aus und zog dann sein Hemd und seine Jacke an. Als er die Jacke aufnahm, fielen zwei daruntergeschobene und schon vergessene Briefe ins Boot. Bolivar konnte zwar nicht lesen, aber dennoch betrachtete er die Adresse des einen mit großer Aufmerksamkeit; es war ein Blutfleck darauf. Mit dem breiten angefeuchteten Finger versuchte er ihn wegzuwischen, doch das ging nicht, der Fleck wurde nur noch größer und häßlicher. Er hielt den Brief jetzt ein paar Sekunden in der Hand und schien nicht übel Lust zu haben, ihn über Bord zu werfen. Er drehte ihn bald nach rechts, bald nach links, dann aber, als ob er sich eines Besseren besänne, trocknete er die feuchte Stelle mit dem Ärmel seiner Jacke, so gut es gehen wollte, und schob die beiden Schreiben in die weiten Taschen seiner Beinkleider.
    Schon wollte er das Tau wieder lösen, das den scharfen Bug des Fahrzeugs noch schäumend gegen die unruhigen kleinen Wellen anzog, da fiel sein Blick auf den Platz, wo der Knabe vorher gesessen hatte, und auf dessen zurückgelassene Mütze. Er trat ein paar Schritte vor, nahm sie auf und sah sich im Boot nach etwas um; – der Sack und die Bleiplatten waren verschwunden – im Boot lag weiter nichts als die beiden Ruder und sein eigener Strohhut.
    »Verdammt«, murmelte er vor sich hin »habe ich denn gar nichts?« – mit den Händen befühlte er sich am ganzen Körper. Da traf seine suchende Hand einen harten Gegenstand – es war sein großes, breites Messer – eine schwere massive Klinge mit gewöhnlichem braunem Holzgriff und einer kleinen Kreuzplatte daran, die die Hand vor dem Abrutschen bewahrte. Er betrachtete es einen Augenblick, dann murmelte er leise vor sich hin: »Hol's der Henker! Von dem Zeug gibt's drüben noch mehr und bessere Ware; das hier mag seine letzten Dienste verrichten.«
    Und damit spießte er die kleine Mütze auf den spitzen Stahl, drückte sie bis dicht unter das Heft und hielt sie mit ausgestrecktem Arm hinaus über das Wasser. Im nächsten Moment spritzen die Wellen empor und schlossen sich augenblicklich wieder über der versinkenden Waffe.
    Der Neger ruderte langsam zur Insel zurück.
    Dort ging es aber heute wild und lustig zu; reiche Beute war am vorigen Tage eingekommen, noch reichere wurde in kurzem erwartet, und die Führer hatten beide die Insel verlassen. Was Wunder dann, daß sich dieses wüste Volk zügelloser Völlerei überließ und jetzt nur noch mit Mühe von dem fast allein nüchternen Peter im Zaum gehalten werden konnte. Wieder und immer wieder mußte er vor den Folgen warnen, wenn vorüberfahrende Boote den Lärm hören sollten. Die Schar war fast nicht einmal mehr damit einzuschüchtern und behauptete, das sei schon oft vorgefallen, und kein Flatbootmann würde darin etwas Außerordentliches finden, wenn er Lärmen und Geschrei auf irgendeiner sonst unbewohnten oder ihm wenigstens unbekannten Insel höre. Überdies könne ja doch keiner landen, dafür wäre gesorgt.
    Peter, der sich nicht anders zu helfen wußte, hatte schon mehrere Male des Kapitäns Frau gebeten, zwischen die Trunkenen zu treten und sie zur Ordnung anzuhalten; Georgine aber tröstete ihn fortwährend mit Kellys baldigem Erscheinen, und immer wieder umsonst verschwendete er Bitten und Drohungen an die zügellose Bande.
    Da landete Bolivar, verbarg seine Jolle und betrat den inneren, von den Gebäuden eingeschlossenen Raum, wo er mit wildem Jauchzen von den Zechenden begrüßt wurde. Nun war der Neger sonst allerdings eher mürrischer, verschlossener Natur und hielt sich am liebsten fern von den Weißen, die ihn doch stets seiner Hautfarbe und Abstammung wegen verachteten. Heute aber, in seiner jetzigen Stimmung und Aufregung, kam ihm solches Treiben gerade gelegen. Seine Augen glänzten in lebendigerem, wilderem Feuer, und mit einer Art

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