Die Formel der Macht
genüsslich auf der Zunge zergehen. “Meine Liebe, ich freue mich, dass du so … beschwingt bist.”
“Warum sollte ich es nicht sein?”
“Wie ich gehört habe, besteht die Gefahr, dass deine Stelle gestrichen werden könnte. Die Entscheidungsträger der Universität scheinen offenbar nicht so überzeugt zu sein wie du, dass die Polarkappen schmelzen und die ganze Welt überschwemmen könnten.”
Summer beschloss zähneknirschend, nicht – zum millionsten Mal – ihren Atem zu verschwenden, indem sie erklärte, worum es bei ihren Untersuchungen der dünner werdenden Ozonschicht tatsächlich ging. “Es stimmt, dass die Universität kürzlich die Mittel für die Unterstützung meines Projekts gestrichen hat, aber wir haben ohne Schwierigkeiten einen neuen Sponsor gefunden.”
Sie errötete bei der Lüge. Es war fast unmöglich gewesen, die nötigen Gelder aufzutreiben, und ihr Forschungsstipendium lief in sechs Monaten aus, was bedeutete, dass sie dann arbeitslos sein würde. Aber diese demütigende Wahrheit würde sie gegenüber ihrer Stiefmutter um nichts in der Welt zugeben. “Meine Stelle ist sicher”, sagte sie kämpferisch.
“Das freut mich zu hören.” Olivia gab sich keine große Mühe, aufrichtig zu klingen. “Ich weiß, wie wichtig dir deine Arbeit ist, Summer. Dein Vater und ich fragen uns oft, wo du dich verkriechen würdest, wenn du nicht dein Labor hättest.”
“Ich bin mir sicher, dass ich etwas anderes angemessen Obskures finden würde.” Summer gab sich in Gedanken einen Schubs, wütend darüber, dass sie ihrer Stiefmutter wieder einmal erlaubt hatte, so erfolgreich ihre Gefühle zu manipulieren. “Da wir gerade von Dad sprechen, ist er hier?”, fragte sie und schaute sich in dem überfüllten Raum um.
“Da drüben am Fenster, er spricht gerade mit dem brasilianischen Außenminister.” Olivias Mund verzog sich zu einem winzigen gönnerhaften Lächeln. “Ich glaube nicht, dass sie jetzt gern gestört werden, aber ich bin mir sicher, dass Gordon im Lauf des Abends irgendwann fünf Minuten Zeit finden wird, um mit dir zu plaudern.”
“Ja, bestimmt.” Summer hatte elf Jahre Erfahrung mit ihrer Stiefmutter hinter sich, und nach den ersten Anlaufschwierigkeiten konnte sie inzwischen gut mit dieser Art von Routinesticheleien umgehen. Sie setzte ein Lächeln auf, das genauso falsch war wie das ihrer Stiefmutter. “Sonst könnte ja womöglich noch irgendein kühner Journalist registrieren, dass es der amerikanische Außenminister den ganzen Abend über nicht geschafft hat, seiner eigenen Tochter wenigstens Hallo zu sagen.”
Olivias Nasenflügel bebten ganz leicht, das einzige Anzeichen dafür, dass sie es sich gestattete, wütend zu sein. “Dein Vater ist ein viel beschäftigter, wichtiger Mann, Summer. Du musst es dir endlich aus dem Kopf schlagen, dass er alles stehen und liegen lassen kann, sobald du einen Raum betrittst.”
“Da mein Vater und ich im letzten Jahr nicht mehr als zwanzig Minuten miteinander verbracht haben, schätze ich, dass ich darauf schon von allein gekommen bin.”
“Gut. Und da wir schon gerade von deiner Beziehung zu deinem Vater sprechen, denk bitte daran, wie wichtig es für ihn ist, dass du dich heute Abend benimmst. Er hat mich gegen mein besseres Wissen überredet, dich auf die Gästeliste zu setzen. Deshalb verkneif dir um Himmels willen gegenüber dem brasilianischen Außenminister jede despektierliche Frage in Sachen Regenwald.”
“Du liebe Güte, ich bin wirklich froh, dass du es erwähnt hast, Olivia. Sonst wäre ich womöglich umgehend zu dem alten Knaben rübergerannt und hätte ihn gefragt, ob er heute schon einen Baum umarmt hat.”
“Dein Versuch, sarkastisch zu sein, ist völlig deplatziert, Summer. Tatsache ist, dass du, was dein Engagement anbelangt, keinerlei Zurückhaltung kennst.”
“Das kommt nur davon, weil ich weiß, dass die Zeit für einschneidende Veränderungen knapp …”
Olivia ließ Summer nicht ausreden. Sie drehte sich abrupt um und schritt majestätisch auf eine Gruppe Neuankömmlinge zu. Sie liebte Berühmtheiten, und ihr routiniertes Lächeln verwandelte sich in ein echtes Willkommenslächeln, als sie einen bekannten Fernsehjournalisten nett begrüßte. “Ted, danke, dass Sie es doch noch geschafft haben. Sie sehen einfach wundervoll aus! Ich brauche nicht zu fragen, ob Sie Ihre Reise auf die Fidschi-Inseln genossen haben. Ich kann es Ihnen ansehen.”
Summer schlüpfte vorbei, nahm ein Glas vom
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