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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Coen
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ziehen. Patienten mit Mukoviszidose haben Atemschwierigkeiten, weil sie an dem Gen, das für den Chlorid-Transport verantwortlich ist, eine Mutation aufweisen. Schon eine einzige Veränderung an einem der 3 Milliarden Basenpaare in unserem Genom verursacht diese Krankheit. Die Funktion jedes Individuums beruht also in der Regel auf der Integration vieler verschiedener Einzelfaktoren.
    Im vorigen Kapitel sind wir davon ausgegangen, dass die lebende Welt in integrierten räumlichen Einheiten organisiert ist, den so genannten Individuen. Die Variabilität zwischen den Individuen einer Population ermöglicht das Funktionieren der natürlichen Selektion. Warum aber ist das Leben eigentlich so organisiert?
DAS PRINZIP DER KOOPERATION
    Man könnte meinen, da die natürliche Selektion auf dem Prinzip des Wettbewerbs beruht, würde sie schonungslosen Egoismus fördern. In einer harten Konkurrenzsituation ist es aber häufig vorteilhaft, Kräfte zu bündeln und zu kooperieren, sofern es von gemeinsamem Nutzen ist. 13 Zu solchen Formen des Zusammenspiels kommt es besonders dann, wenn ein gemeinsamer räumlicher Kontext vorliegt.
    Betrachten wir zunächst einen Einzeller. Seine DNA besteht aus langen, ineinander verschraubten Basenpaaren, die die Chromosomen bilden. Die DNA kann von einer Generation zur nächsten durch zufälliges Auseinanderbrechen und Wiederverknüpfen von Chromosomen durchmischt werden. Bei diesem Vorgang werden DNA-Stücke zwischen Chromosomen ausgetauscht (Rekombination). Da es bei der geschlechtlichen Fortpflanzung nur an wenigen Stellen auf dem DNA-Molekül zu solchen Brüchen kommt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Basen, die nah beieinander liegen, der Rekombination unterliegen – so wie es in einer langen Warteschlange sehrunwahrscheinlich ist, dass ausgerechnet Sie von Ihrem direkten Vordermann getrennt werden, wenn die Schlange per Zufall in zwei Teile geteilt wird. In einem DNA-Molekül werden also benachbarte Basen tendenziell gemeinsam von einer Generation an die nächste weitergegeben. Das bedeutet, dass eine mutierte Base an einer bestimmten Stelle im Genom, die den Reproduktionserfolg und damit ihre Ausbreitung in einer Population fördert, wahrscheinlich auch die Ausbreitung aller benachbarten fördern wird, weil sie sie »mitschleppt«. Ebenso wird diese Base davon profitieren, wenn irgendeine ihrer Nachbarinnen den Reproduktionserfolg steigern kann. Es besteht also für benachbarte Basen ein gegenseitiger Anreiz zur Kooperation, weil ihre enge physische Verbindung bedeutet, dass sie tendenziell gemeinsam vererbt werden. Mit dem Anreiz zur Kooperation meine ich natürlich nicht, dass eine Base an die andere denkt, sondern dass ein Vorteil, der einer Base zu besserem Reproduktionserfolg verhilft, wahrscheinlich auch der anderen von Nutzen ist. In dieser Situation bevorzugt die natürliche Selektion Fälle, bei denen benachbarte Basen effizient zusammenarbeiten, um ihren Reproduktionserfolg zu steigern. Natürlich könnten benachbarte Basensequenzen auch negativ aufeinander einwirken und den Reproduktionserfolg senken; in diesem Fall werden sie aber mit geringerer Wahrscheinlichkeit durch natürliche Selektion gefestigt und daher nicht dominant. »Kooperation« bezieht sich also auf kooperative Ergebnisse ohne jede psychologische Absicht, so wie »Wettbewerb« im vorigen Kapitel sich auf eine Situation bezog, in der es viele Einheiten gab, von denen aber nur wenige eine begrenzte Anzahl von Plätzen besetzen konnten.
    Eine Form der Kooperation von Basen besteht in der Codierung für ein Protein. Proteine sind lange Moleküle, und viele von ihnen fördern bestimmte chemische Reaktionen, etwa den Abbau von Glukose oder die Bindung von Kohlenstoff. Jedes Protein besteht aus einer Kette von molekularen Untereinheiten, den so genannten Aminosäuren. Ein Protein kann sich aus 20 verschiedenen Aminosäuren zusammensetzen, also aus 20 Buchstaben im Protein-Alphabet. Die Eigenschaften eines Proteins hängen von der genauen Anordnung ab, in der seine Aminosäuren aneinandergekettet sind. Diese Aminosäurensequenz wiederum wird von einem Abschnitt der DNA-Sequenz (einem Gen) im Genom bedingt. Jedem Proteintyp entsprichtein dafür codierendes Gen. Das Genom codiert für viele tausend Proteine, jeder einzelne DNA-Abschnitt stellt also nur einen winzigen Bruchteil der gesamten DNA dar.
    Ein Protein ist ein Gemeinschaftswerk, weil nicht eine einzelne Base, sondern ein Abschnitt benachbarter Basen in der

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