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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Coen
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wir nun mit höchster Wahrscheinlichkeit am Ende nur schwarze Kugeln vorfinden. Eine Veränderung in der Überlebensfähigkeit, der Fähigkeit also, einen Platz in der Stichprobe zu ergattern, hat folglich eine ähnliche Auswirkung wie eine Veränderung der Reproduktionsrate. Sie stellt eine andere Form der Verstärkung dar, aber diesmal eine, die am Selektionsprozess selbst ansetzt.
    Für unsere Population von Apfelbäumen gelten dieselben Prinzipien. Fördert eine Genvariante die Fähigkeit der Samen, zu überleben und zum erwachsenen Baum heranzuwachsen, so wird diese Genvariante in der Population tendenziell häufiger werden. Sie hat einen Selektionsvorteil oder höhere Fitness, so wie ein schwererer Ball in unserem Ziehungsgerät. Eine andere Art von Vorteil liegt vor, wenn die Genvariante die Reproduktionsfähigkeit des Apfelbaumes steigert. Zum Beispiel könnte eine Variante, die die Apfelblüte für Bienen attraktiver macht, zur Produktion von mehr Samen führen. Dieser Reproduktionsvorteil würde ebenfalls über die Generationen hinweg verstärkt – und damit die Wahrscheinlichkeit steigern, dass sich die zugehörige Genvariante durchsetzt.
    Beide Formen der Verstärkung – erhöhte Überlebensfähigkeit und erhöhte Reproduktionsfähigkeit – unterscheiden die Selektion von der Gendrift. Bei der Gendrift ist es für beide Genvarianten gleich wahrscheinlich, gefestigt zu werden. Bei Selektionsvarianten ist die Wahrscheinlichkeit der Festigung unterschiedlich hoch: Die Varianten, die Überleben und Fortpflanzung begünstigen, werden bevorzugt. So bewirkt die natürliche Selektion die Anpassung eines Organismus an seine Umwelt; sie fördert automatisch Merkmale, die Überlebens- und Fortpflanzungsfähigkeit steigern.
    Das Herzstück der natürlichen Selektion ist das Wechselspiel zwischen Verstärkung und Wettbewerb. Deren Beziehung lässt sich mit der Darstellung in Abbildung 4 zusammenfassen. Die positive Rückkopplungsschleife steht für Verstärkung: Fördert eine Genvariante den Reproduktionserfolg, so neigt sie dazu, ihren eigenen Anteil mit jeder Generation immer weiter ansteigen zu lassen. Die negative Rückkopplungsschleife steht für den Wettbewerb und ergibt sich aus Umweltgrenzen, die die Populationsgröße beschränken. Das führt erstens dazu, dass die Zunahme einer Genvariante auf Kosten einer anderen geht und am Ende womöglich zur Eliminierung des Konkurrenten führt. Zweitens aber bewirkt die Begrenzung der Populationsgröße, dass eine Genvariante, die sich selbst hin zu höheren Anteilen in der Population antreibt, irgendwann mit sich selbst konkurriert. Damit wird diese Genvariante zum Opfer ihres eigenen Erfolgs: Mit ihrer zunehmenden Verbreitung in der Population wird es immer wahrscheinlicher, dass Konkurrenten dieselbe Variante tragen, so dass ihr Anteil an der Gesamtpopulation immer langsamer zunimmt. Ist die Genvariante erst völlig dominant, so sind wieder alle Individuen gleich starke Konkurrenten, da sie alle denselben Vorteil besitzen. Demnach sind nun alle Individuen besser für Überleben und Reproduktion gerüstet. In der Population hat sich eine Anpassung durchgesetzt.
    (4) Wechselspiel zwischen Verstärkung (positive Rückkopplung) und Wettbewerb (negative Rückkopplung) bei der natürlichen Selektion.
    Diese doppelte Rückkopplungsschleife mit Verstärkung und Wettbewerb kann auch erklären, warum Organismen mehr Nachkommen produzieren, als überleben können. Würden wir mit einer Population beginnen, die exakt so viele Nachkommen produziert, wie in der Umwelt überleben können, so gäbe es keinen Wettbewerb, alle könnten überleben. Tritt nun durch Mutation eine Genvariante auf, die die Reproduktionsrate steigert, so wird sie sich durch den Verstärkungsmechanismus in der Population tendenziell ausbreiten (positive Rückkopplung in 4). Damit reproduziert sich die Population effizienter, und es gibt mehr Nachkommen als zuvor. Irgendwann übersteigt die Population die Umweltgrenzen, und es kommt zum Wettbewerb um begrenzte Ressourcen (negative Rückkopplung in 4). Der Anstieg des Fortpflanzungserfolgs mündet zwangsläufig in einen Wettbewerb, der ihn wiederum begrenzt. Unsere doppelte Rückkopplungsschleife treibt nicht nur evolutionären Wandel an, sondern hält sich auch selbst aufrecht.
    Die doppelte Rückkopplungsschleife zwischen Verstärkung und Wettbewerb ist der Motor der natürlichen Selektion. Treibstoff erhält der Motor aus dem Gleichgewicht von

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