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Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition)

Titel: Die Formel des Lebens: Von der Zelle zur Zivilisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Coen
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Regulatorproteine im Bakterium verändern. Einige dieser Regulatorproteine aktivieren Gene, während andere die Genaktivität hemmen. Wie bei vielzelligen Organismen besitzen auch die Gene von Einzellern Regulationsbereiche, an denen viele Proteine binden können. In welchem Grad ein Gen an- oder ausgeschaltet ist, hängt davon ab, wie diese verschiedenen Regulatorproteine aufeinander einwirken undkooperieren. Damit werden sehr viele verschiedene Kombinationen von Regulatoren möglich, so dass die Zelle auf Herausforderungen in der Umwelt sehr unterschiedlich reagieren kann.
    Vielleicht gab es viele der Werkzeuge, die man zur Herstellung von Helmen benötigt, schon bevor die ersten Helme auftauchten; ganz ähnlich waren auch viele Elemente, die für die biologische Entwicklung erforderlich sind, schon bei Einzellern vorhanden, bevor es zur Evolution vielzelliger Organismen kam. Wie aber kam der entscheidende Kontakt zwischen diesen verschiedenen Parametern aus den Einzellern zustande und konkretisierte sich zur Formel für die biologische Entwicklung? Wir waren zwar nicht dabei und können diese Ereignisse daher nicht bezeugen, aber wir wollen trotzdem ein Szenario skizzieren, wie es abgelaufen sein könnte.
EINE GRÖSSENORDNUNG AUFWÄRTS
    Im Großteil des Ozeans herrscht ständige Dunkelheit, doch nahe der Wasseroberfläche gibt es genügend Licht, in dem eine muntere Gemeinschaft mikroskopischer Pflanzen gedeihen kann. 46 Diese einzelligen Algen bilden einen riesigen Teppich von Meeresplankton. Allerdings birgt ihre Lebensweise einige Gefahren. Plankton wird von Strömungen und Wellengang willenlos umhergewirbelt. Werden die mikroskopisch kleinen Pflanzen in die tieferen Regionen hinabgezogen, wo die Helligkeit schnell abnimmt, sterben sie an Lichtmangel, sofern sie nicht an die Oberfläche zurückschwimmen oder treiben können. Näher an der Küste sieht es besser aus, weil das Wasser dort so flach ist, dass sie nicht bis ins Dunkle absinken können. Es gibt aber keine Garantie dafür, dass eine Pflanze, die in Küstennähe lebt, nicht irgendwann in den unendlichen Ozean hinausgetragen wird; es sei denn, sie heftet sich an einen Felsen. Einige Arten einzelliger Algen verankern sich also am Meeresboden – damit können sie dauerhaft in Strandnähe verbleiben. Diese Zellen können zwei unterschiedliche Pole aufweisen – einen, der auf das Haften am Felsen spezialisiert ist, und einen, der Licht aufnimmt. Über eine solche Anordnung verkörpern diese Einzeller einen Aspekt ihrer Umgebung, nämlich die Schnittstelle zwischen lichtundurchlässigem, solidem Fels und transparentem, flüssigem Meer.
    Mit dieser Gestalt können Individuen, die sich nach oben ausdehnen und vom Felsen weg wachsen können, mehr Licht einfangen. Ihre Überlebenschancen sind dadurch vielleicht höher als die ihrer beschatteten Nachbarn, und deshalb werden sie wohl von der natürlichen Selektion bevorzugt. Erreichen können Zellen das etwa dadurch, dass sie größer werden. Es bestehen aber Grenzen, wie groß ein einzelliger Organismus werden kann. Bei zunehmender Größe wird es schwierig, über die großen Mengen von Zytoplasma hinweg Abläufe zu koordinieren. Diese Schwierigkeit lässt sich teilweise dadurch ausgleichen, dass die Zelle mehrere Zellkerne enthält, wie es bei den größten Einzellern häufig der Fall ist. Doch wegen der ständigen Durchmischung des Zytoplasmas ist es trotzdem schwierig, Muster von Genaktivität zu erstellen.
    Um diese Probleme zu lösen, bleiben Zellen nach der Teilung aneinander haften, so dass der Organismus zu einem vielzelligen Individuum heranwächst. Weil es nun viele separate Zellen gibt, von denen jede ihren eigenen Zellkern besitzt, besteht jetzt die Möglichkeit, in verschiedenen Zellen unterschiedliche Gene anzuschalten. Zellen in der Nähe des Felsens könnten dann Gene anschalten, die zum Anhaften benötigt werden, während Zellen am offenen Ende zum Wasser hin Gene anschalten würden, die der Photosynthese dienen. Die Evolution solcher spezialisierter Zelltypen erfordert keine völlig neu entwickelten Mechanismen. Sie kann sich einfach daraus ergeben, dass die Parameter, die im Einzeller bereits vorhanden waren, neu kombiniert werden. Die Prinzipien, die schon für Einzeller galten, können auch für mehrere Zellen gelten, die sich in gegenseitiger Nähe aufhalten. Nun kann mit der Schnittstelle zwischen Felsen und Meer neu umgegangen werden, und zwar durch Unterschiede zwischen den Zellen und

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