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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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sehe ich diesen Mann? Das kann doch kein Zufall sein. Jetzt ist meine Neugierde geweckt, jetzt will ich es genau wissen. Nur aus diesem Grund bringe ich meine Kamera wieder in Anschlag, habe den Mann schnell im Sucher und zoome ihn näher. Er ist ein ungewöhnlich bleicher Mann mit weißem Haar und einem kleinen, ebenfalls weißen Bart. Seine Haut ist weiß wie die eines Albinos und seine Augen sind rot, erinnern mich an die Hölle. Sein Gesichtsausdruck ist ein wenig angespannt, ständig blickt er umher, so als würde er auf jemanden warten. Ich zoome ihn noch näher heran, jetzt kratzt er sich mit dem Zeigefinger seiner linken Hand an der Schläfe und dabei sehe ich den Totenkopfring, den er an seinem Finger trägt.
    Was hat das wohl zu bedeuten? Soll mich dieser Totenkopf auf mein Verbrechen hinweisen? Weiß vielleicht bereits die ganze Stadt, dass ich meinen Liebhaber getötet habe? Oder ist es genau anders herum: Hat dieser Mann, der aussieht wie ein merkwürdiger Albino, etwas damit zu tun?
    Jetzt bleibt er stehen und zündet sich eine Zigarette an. Ich zoome sein Gesicht näher, wie in einem Blow-up. Seine Lippen sind blutleer und dünn, die Zigarette hat keinen Filter und klebt an seiner Unterlippe, was ihm einen verschlagenen Ausdruck verleiht. Langsam gleitet der Sucher vom Mund über die Wangen. Kleine Pockennarben geben seinem bleichen Gesicht einen Hauch von Brutalität. Wie alt mag dieser Fremde wohl sein? Dreißig oder fünfunddreißig Jahre vielleicht? Unter den roten Augen hat er lila Schatten, er ist nicht mehr jung, die Nacht war also anstrengend für ihn. Gierig zieht er an seiner Zigarette und wirkt jetzt plötzlich hohlwangig wie der Tod. Langsam greift er mit seiner weißen knochigen Hand in den Ausschnitt seines schwarzen Hemds und zieht eine Kette hervor. Gebannt starre ich durch meinen Sucher. Spielerisch dreht er die Kette in seinen Fingern, der Totenkopf an seinem Zeigefinger blitzt, die Steine der Kette leuchten blutrot. Die Kette erinnert mich an einen Rosenkranz und wieder zoome ich näher, denn ich will wissen, ob ich damit recht habe.
    Ich hole die Kette näher und noch näher heran, bis ich den Anhänger, den er zwischen den Fingern hält, erkennen kann. Wie ich gedacht habe, ist es ein Kreuz. Es ist aus Silber und die Steine für die Gebete sind rot und leuchten wie frische Blutstropfen. Doch dann stelle ich überrascht fest, dass dieses Kreuz verkehrt herum an seiner Kette hängt.
    Plötzlich fährt ein Reinigungswagen aufreizend langsam die Straße entlang, verdeckt den Mann und im Sucher habe ich nur eine riesige orange Fläche. Als der Wagen endlich weg ist, habe ich den Mann wieder im Bild. Wütend droht er mit seiner Faust in meine Richtung. Es ist die Hand mit dem Totenkopfring, der jetzt in der Morgensonne aufblitzt. Es ist der Totenkopfring auf seinem linken Zeigefinger, der eine Warnung für mich sein könnte – der andeuten könnte, dass er weiß, was ich getan habe. 
    Aber mit der Faust kann er nicht mich gemeint haben, beruhige ich mich schnell wieder, bin ich doch beinahe zweihundert Meter von ihm entfernt und zoome ihn nur durch mein Teleobjektiv zu mir heran. Gerade wischt er sich Wasser von seiner schwarzen Hose, wahrscheinlich hat ihn der Reinigungswagen vollgespritzt, deshalb die wütende Faust. Aber dann greift er nach seinem Kreuz und hält es direkt in mein Objektiv, sodass ich panisch zurückschrecke und schnell die Kamera sinken lasse.
    Er kann mich nicht gesehen haben und trotzdem weiß er, dass ich da bin! Ich muss diesen eigenartigen Mann fotografieren, um einen Beweis für seine Existenz zu haben. Ich brauche ein Bild von ihm.
    Ich beginne hektisch zu atmen und mein Herz klopft wie wild. In meinem Kopf schrillen sämtliche Alarmglocken und eine mahnende Stimme meldet sich: Reicht es nicht, dass Talvin tot in seiner Wohnung liegt? Dieser Mann kommt aus einer anderen Welt, Adriana! Lass ihn in Ruhe!
    Natürlich hat die Stimme in meinem Kopf recht. Ich habe heute ein anstrengendes Fotoshooting, deshalb trage ich auch die schwere Kamera mit mir herum und streife durch die morgendliche Stadt. Ich habe nicht die geringste Veranlassung, diesem Fremden zu folgen. Ich kenne ihn ja nicht einmal. Es ist doch nur ein Spiel, denke ich und hebe die Kamera wieder hoch. Doch jetzt ist er aus meinem Sucher verschwunden. Das darf einer Jägerin nicht passieren!
    Während ich die Straße entlanglaufe, versuche ich mich zu orientieren. Meine Wege sind ja sonst immer

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