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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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rechtfertigen. Doch wenn ich einmal in Fahrt bin, kann mich auch keine Marion bremsen.
    „Nein, du hörst mir zu!“, schneide ich ihr das Wort ab. „Wir treffen uns in einer halben Stunde in der kleinen Bar am Anfang der Operngasse, die hat um diese Zeit schon geöffnet. Dann werde ich dir beweisen, dass ich nicht verrückt bin“, schreie ich ins Handy und trenne sofort die Verbindung. Wenn Marion nicht kommt, dann weiß ich, woran ich bin. Wenn sie kommt, werde ich ihr beweisen, dass Talvin existiert, dass es diesmal nicht genauso wie mit Björn ist.
    Kurze Zeit später stehe ich in der winzigen Bar, die mich an eine italienische Eckbar erinnert und trinke einen Espresso stretto, verzichte aber darauf, ihn mit einem Cognac zu mischen. Unauffällig fotografiere ich zunächst meine Espressotasse und dann noch einen alten Mann, der an einem der Tische beim Eingang sitzt und so tut, als würde er die Tageszeitung lesen. In Wirklichkeit aber beobachtet er mich unentwegt über den Rand seiner Zeitung hinweg und ich bin mir fast sicher, dass er nur darauf wartet, dass ich einen Fehler mache.
    Gleich darauf wähle ich erneut Marions Nummer, denn ich habe bereits den dritten Espresso getrunken und bin dementsprechend aufgedreht und ruhelos.
    In meinem Rücken höre ich das Schrillen des Handys und als ich mich erstaunt umdrehe, steht Marion bereits hinter mir.
    „Ich kann dir alles erklären“, sagt sie ohne Einleitung und winkt dem Kellner. Sie bestellt koffeinfreien Kaffee und ein Quarkbrötchen, wahrscheinlich ist sie wieder auf Diät.
    „Da bin aber neugierig“, antworte ich patzig, lenke nicht ein und bin sogar bereit, unsere langjährige Freundschaft aufs Spiel zu setzen, um Klarheit zu erlangen.
    „Ich habe noch gestern Nachmittag mit einem meiner früheren Freunde aus der IT-Abteilung der Universität gesprochen und er hat für mich nach deinem 27-jährigen Philosophiestudenten Talvin Singh recherchiert.“
    „Und?“, frage ich und bin seltsam verstört, wie Marion den Namen Talvin Singh ausspricht. Der Name geht ihr verdächtig leicht über die Lippen, fast so, als hätte sie schon des Öfteren „Talvin“ geflüstert. Aber im Moment geht es um ganz etwas anderes. Jetzt wird sich endlich alles aufklären und damit wird auch bewiesen, dass Talvin existiert. Marion beißt in ihr Brötchen und ungeduldig warte ich, bis sie den Bissen zerkaut hat.
    „Also, was hat dein Ex-Lover herausgefunden?“, frage ich aufgeregt.
    Marion rückt aufreizend langsam mit ihrem Zeigefinger ihr angebissenes Brötchen zurecht, faltet dann bedächtig ihre Serviette Kante auf Kante, ohne mich anzusehen.
    „Adriana, hör mir bitte zu: Es gibt keinen Talvin Singh. Weder an der philosophischen Fakultät noch an irgendeiner anderen Fakultät.“
    Zunächst denke ich, mich verhört zu haben.
    „Ich glaube, ich habe dich nicht ganz richtig verstanden!“
    „Doch, du hast ganz richtig gehört. Es gibt an der Universität keinen Talvin Singh!“
    Plötzlich habe ich das Gefühl, als würde ich gleich umkippen. Mit einer Hand halte ich mich am Tresen fest, mit der anderen massiere ich meinen Nacken, der völlig verspannt ist und höllisch schmerzt.
    „Vielleicht ist er an einer Privatuniversität eingeschrieben“, flüstere ich. „Die Miete der Dachterrassenwohnung ist sicher hoch. Talvin hat reiche Eltern, die alles finanzieren. Sein Großvater hat die Bibliothek der Theosophischen Gesellschaft in Madras verwaltet, war also ein gebildeter Mann und ...“
    Plötzlich bringe ich kein Wort mehr heraus und meine Augen füllen sich mit Tränen. Es sind Tränen der Wut, der Enttäuschung, aber auch Tränen der Angst, denn ein Zweifel hat sich in mein Denken geschlichen: Was, wenn alle recht haben und ich mir das alles bloß einbilde?
    Marion bemerkt meine Betroffenheit, will mich umarmen, um mich zu trösten, doch ich stoße sie brüsk zur Seite.
    „Rühr mich nicht an!“, zische ich. „Du hast dich mit Gregor gegen mich verbündet. Ihr beide wollt, dass ich in eine Klinik komme, damit ich Gregors Wahlkampf nicht gefährde. Gib es doch endlich zu, dass es so ist!“
    Marion schüttelt den Kopf und fixiert mich intensiv mit ihren dunklen Augen, als wolle sie bis in mein Gehirn sehen. Ihr rundes, beneidenswert faltenfreies Gesicht zeigt keinerlei Regung. Natürlich merkt sie, dass ich jetzt unsicher geworden bin.
    „Hör endlich auf zu spinnen! Mein früherer Freund hat nicht nur die Wiener, sondern alle Universitäten in Österreich

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