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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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stößt einen erstickten Schrei aus. Hinter mir höre ich ein Geräusch. Die Kamera im Anschlag wirble ich herum, Talvins Mutter steht mit dem Handy in der einen und einem handlichen Baseballschläger in der anderen Hand drohend hinter mir.
    „Go away from my husband!“, schreit sie in gebrochenem Englisch und ich bekomme nur so viel mit, dass Talvin anscheinend ihr Ehemann ist. Er hat also seine Frau betrogen, so wie ich meinen Mann.
    „You have to pay the price!“, kreischt sie und deutet mit dem Baseballschläger auf die zerbrochenen Gläser und die zerplatzten Gewürzsäckchen, die wie bunte Inseln in den Soßen schwimmen.
    Weit entfernt höre ich das Martinshorn eines Streifenwagens, der sich rasch nähert.
    „The police is coming!“ Talvins Ehefrau versperrt mit ihrer fülligen Figur den Eingang. Sie ist eine imposante Erscheinung in ihrem dicken schwarzen Haarknoten und der behaarten Warze über der Oberlippe. Durch die Scheibe der Auslage sehe ich ein Polizeifahrzeug, das quer über den Gehsteig rumpelt und mit rotierendem Blaulicht hält. Das blaue Licht wirft unruhige Kreise auf Talvins Gesicht und alles an ihm erscheint mir mit einem Mal fremd.
    Doch ehe meine Welt in sich zusammenfällt, verschanze ich mich hinter meiner Kamera, die völlig mit feinem Gewürzstaub überzogen ist. Die Kamera ist alles, was mir noch geblieben ist. Mit dem Ärmel wische ich über das Objektiv, kann aber überhaupt nichts mehr erkennen. Trotzdem drücke ich ab und erlege Talvin, der sich wieder ganz nach hinten in den Laden verzogen hat und mit seinen langen braunen Händen durch die Luft greift, als würde er gleich den indischen Seiltrick vorführen. Peng, peng, peng. Mitleidlos schieße ich auf Talvin, speichere ihn auf meinen Karten, um einen sichtbaren Beweis dafür zu besitzen, dass er tatsächlich existiert und ich keine Mörderin bin.
    Plötzlich packt mich eine Hand fest an der Schulter und zieht mir die Kamera weg.
    „Au! Sie tun mir weh! Sind Sie verrückt?“, rufe ich panisch, denn das Band der Kamera schnürt mir die Luft ab.
    „Machen Sie keine Schwierigkeiten und kommen Sie mit!“, kommandiert mich eine Frauenstimme, die trotz des Befehlstons traurig und einsam klingt. Langsam drehe ich mich um, sehe eine Polizistin in Uniform vor mir, deren Gesicht grau und abgearbeitet ist.
    „Ich habe doch überhaupt nichts gemacht“, versuche ich mich zu rechtfertigen. „Ich hatte nur ein emotionales Gespräch mit einem Freund.“ Aber die Polizistin reagiert nicht darauf. Sie scheint mich nicht einmal zu hören.
    „Das können Sie alles auf dem Revier erzählen. Jetzt kommen Sie erst einmal mit.“ Bestimmt zerrt sie mich am Arm durch den Laden, vorbei an Talvins Ehefrau, die mich hasserfüllt anfunkelt. Ob sie wohl ahnt, dass ich mit ihrem Mann geschlafen habe? Vor dem indischen Laden hat sich mittlerweile schon eine sensationslüsterne Menschentraube gebildet. Die Schaulustigen beginnen heftig zu applaudieren, als mich die Polizistin zum Streifenwagen zerrt. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist. 
    Talvin ist nirgends zu sehen, er ist verschwunden wie eine Spukgestalt. Nur Talvins Ehefrau steht mit geballten Fäusten mitten in den Scherben der zerbrochenen Gewürzgläser, ihr Sari flattert im Luftzug der offenen Ladentür und ihre dunklen Augen, mit denen sie mich unentwegt anstarrt, glitzern vor Zorn.

9. Mittwoch - abends

    Eine Verhaftung ist etwas sehr Erniedrigendes. Wie einem Schwerverbrecher werden einem die Hände auf den Rücken gedreht und man wird nach draußen zu dem wartenden Streifenwagen gestoßen. Zu allem Überfluss lässt der Fahrer das Blaulicht unentwegt rotieren, was natürlich die Schaulustigen magisch anzieht. Schnell bildet sich ein Ring mit sensationsgeilen Passanten um den Streifenwagen und wie eine Jahrmarktsattraktion wird man durch das Spalier dieser Gaffer gezerrt, um endlich in den Fond des Streifenwagens geschoben zu werden. Erst dann kann man durchatmen, den Kopf heben und seine Situation überdenken.
    Die Polizistin, die mich festgenommen hat, heißt Isabelle Wagner und hat eine französische Mutter, die aus Grenoble stammt. Sie ist Mitte dreißig und sieht nicht aus wie eine Französin. Ihr Haar ist graubraun und nicht sehr füllig, das merkt man an dem dünnen Zopf, der ihr in den Nacken fällt. Die Lippen von Isabelle sind dünn und blutleer, geben ihrem Mund einen verbissenen Zug. Sie passen aber zu dem schmalen grauen Gesicht mit den beiden strengen Falten, die sich

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