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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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als wäre ihm entfallen, was er eben noch sagen wollte. Dann macht er eine abweisende Handbewegung, dreht sich um und lässt mich einfach stehen.
    „Kannst du mir nicht noch einmal verzeihen?“ Ich begreife überhaupt nichts mehr. Raul, der umgänglichste Mensch auf Erden, serviert mich eiskalt ab. Obwohl ich mich doch für mein Verhalten bei dem Fotoshooting entschuldigt habe. Das kann er doch nicht machen! Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn zu mir zurück.
    „Ich habe mich doch entschuldigt. Was willst du denn noch von mir? Soll ich auf Knien hinter dir herrutschen?“ Ich bin wohl sichtlich gekränkt, denn Raul seufzt und sieht zu mir hoch.
    „Das fragst du noch, Adriana?“ Mitleidig schüttelt er den Kopf. „Bist du wirklich so durchgeknallt, dass du überhaupt nichts mehr mitbekommst? Ich fliege aus meiner Wohnung, wenn ich bis zum Ersten des Monats keinen Job bekomme. Aber jetzt sind alle in Urlaub und es gibt nichts zu tun!“ Erneut wischt er sich den Schweiß von seiner Glatze. „Die Gage für den Unterwäschejob hätte mich perfekt über den Sommer gebracht.“
    Natürlich spielt er auf das Fotoshooting an, das ich vor einigen Tagen vermasselt habe. Jetzt kann ich ihm nicht einmal Geld borgen, da ich ja selbst fast pleite bin und meine Kreditkarten im Safe in der Klinik liegen. Zuhause habe ich nur ein paar hundert Euro gefunden. Ich nestle einen Hunderteuroschein aus der Tasche, halte ihn Raul entgegen.
    „Hier Raul, mehr habe ich im Moment leider nicht!“
    „Du kotzt mich an, Adriana!“, sagt Raul gekränkt, nimmt den Schein aber trotzdem.
    Die Pillen von Dr. Mertens haben diese Halluzinationen bei mir ausgelöst. Das muss ich ihm noch erklären, dann wird er die ganze Geschichte hoffentlich vergessen. Raul ist ja im Grunde nicht nachtragend. Deshalb verstehe ich seine noch immer extrem ablehnende Haltung irgendwie nicht, lenke aber doch ein, weil ich ihn nicht noch mehr verärgern will.
    „Es tut mir leid! Ich habe mich unprofessionell verhalten. Aber es gibt eine Erklärung dafür!“, schreie ich ihm ins Ohr, denn plötzlich hat der DJ die Musik lauter gedreht, um allen zu zeigen, dass der Abend jetzt erst so richtig losgeht. „Es waren die Nebenwirkungen der Tabletten, die man mir verschrieben hat.“
    „Ist schon gut, Adriana! Reden wir ein andermal darüber. Ich habe jetzt einen Termin und wenn alles so läuft, wie ich hoffe, dann bin ich in ein paar Tagen wieder flüssig,“ antwortet Raul geistesabwesend und sieht an mir vorbei zum Ausgang. Gönnerhaft klopft er mir noch auf die Schulter und verschwindet dann in den Gang, der zu den hinteren Räumen mit den Spieltischen führt. Wahrscheinlich will er das entgangene Honorar beim Pokern zurückgewinnen. Bevor er sich in eines der Spielzimmer verzieht, bleibt er noch einmal kurz stehen und schaut erneut zu einem Stehtisch gleich beim Eingang. Unwillkürlich folge ich seinem Blick, kann aber kein bekanntes Gesicht entdecken. Für einen kurzen Augenblick glaube ich zwar, Marion erkannt zu haben, aber als ich genauer hinsehe, unterhalten sich nur unbekannte Männer und Frauen an dem Tisch. Doch ein dünnes, aschblondes Mädchen in einem schwarzen Tanktop kommt mir irgendwie bekannt vor. Sie balanciert mit einem Sektglas in der Hand durch die vielen Menschen und als sie sich zu einem der Stehtische dreht, um jemanden zu begrüßen, sehe ich ihre nackte Schulter.
    Ich erkenne das Tinkerbell-Tattoo deutlich auf ihrer weißen Haut und ein Irrtum ist nicht möglich. Meine Fee schwirrt hier durch die Bar! Hektisch bahne ich mir meinen Weg durch die Menge, dränge die Gäste rücksichtslos zur Seite, will so schnell es geht zu ihr gelangen. Endlich habe ich jemanden gefunden, der bezeugen kann, dass Talvin Singh existiert. Jetzt lehnt das Mädchen an der Bar, direkt neben dem Gang, durch den Raul zu den Spieltischen verschwunden ist.
    Soll ich Raul bitten, als Zeuge zu fungieren? Aber nein, das würde die ganze Sache nur unnötig verkomplizieren. Das Mädchen braucht nur zu bestätigen, dass Talvin existiert, egal ob sie ein Verhältnis mit ihm hatte oder nicht. Sie muss nur in meine Handykamera bestätigen, dass es Talvin Singh aus Chennai gibt und dass sie ihn kennt. Das Leben kann im Grunde so einfach sein und ich spüre, wie meine positive Stimmung langsam wieder zurückkehrt.
    Jetzt hat mich auch das Mädchen bemerkt und das kurze Aufblitzen in ihren Augen zeigt mir, dass auch sie mich erkannt hat. Mein Herz rast vor Aufregung. Jetzt endlich

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