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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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kann ich beweisen, dass ich mir die leidenschaftlichen Augenblicke mit Talvin nicht eingebildet habe. Das Mädchen stellt ihr leeres Sektglas auf die Theke und dreht es unschlüssig zwischen ihren Fingern. Hektisch krame ich in meiner Tasche nach meinem Handy, um sofort alles bei der Hand zu haben, wenn ich mit dem Mädchen spreche. Als ich es endlich gefunden habe und aufsehe, ist meine Tinkerbell-Fee verschwunden.
    „Shit!“, fluche ich laut vor mich hin, aber meine Stimme wird von der dröhnenden Musik überlagert. In der Mitte der Bar beginnen jetzt einige Männer ausgelassen zu tanzen, nehmen mich in die Mitte, bilden einen Kreis um mich und lächeln mir zu. Zu jeder anderen Zeit hätte mir das gefallen, aber im Augenblick ist die Situation denkbar ungünstig.
    „Lasst mich bitte durch!“, rufe ich und knipse ein Haifischlächeln an, doch die Männer feiern den Abschluss eines großen Geschäfts und da darf es keinen Spielverderber geben. Erst als ich einem der Geschäftsleute ziemlich energisch auf die Schulter klopfe, öffnet sich der Kreis und ich kann nach draußen.
    Schon bin ich an der Bar vorbei. Auf der Theke steht noch immer das leere Sektglas von Tinkerbell, ich habe mir also nichts eingebildet. Ich gehe nach hinten in den Gang. Die Wände sind blutrot gestrichen und eine Neonröhre flackert. Links sind die Toiletten. Auch die Wände in der Toilette sind blutrot gestrichen. Ein Mädchen sitzt auf einem vergoldeten Hocker und sprüht mir Parfum aus einem silbernen Flakon auf die Arme.
    „Ist hier ein Mädchen mit einem Tinkerbell-Tattoo hereingekommen?“, frage ich sie, doch sie zuckt nur mit den Achseln, scheint mich nicht verstanden zu haben. Mit dem Fuß stoße ich die einzelnen Türen der Toilettenkabinen auf. Nichts. Dann wieder hinaus, diesmal in die Männertoilette. Dort geht es hoch her. Hier sind die Wände schwarz wie die Hölle, nur die Leitungsrohre sind golden gestrichen. Über dem Urinal hängt ein Monitor, in dem eine völlig abgenudelte Kopie von Emmanuelle läuft und unter einem vergoldeten Barockspiegel ziehen sich zwei Männer eine Koks-Line hoch. Als ich vorbeigehe, klopft mir einer der Männer auf den Hintern und ich unterdrücke den Drang, ihm eine zu scheuern. In einer offenen Toilette küssen sich ein Junge und ein Mädchen. Beide sind bereits halbnackt und lassen sich durch mich nicht im Geringsten von ihrem Treiben ablenken. Die Musik aus der Bar ist hier nur noch als dumpfes Basspochen zu spüren. Auch hier keine Spur von meiner Fee Tinkerbell.
    Ratlos stehe ich in dem blutroten Gang. Die defekte Neonröhre zischt und knistert, eine schwarze Katze springt fauchend von einem Bord, als ich vorbeigehe.
    Rechts hinten sind noch zwei Räume, in denen mehrere Spieltische stehen. Hier wird angeblich nicht um echtes Geld gespielt, sondern um Jetons, für die es dann Drinks des Hauses gibt. Der treibende Bass und die monotonen Stimmen der Spielleiter, die den Ablauf koordinieren, versetzen mich in eine fast tranceartige Stimmung.
    Raul sitzt an einem der hinteren Tische, eine junge Frau mit aschblondem Haar in einem schwarzen glänzenden Blazer beugt sich zu ihm hinunter und flüstert ihm etwas ins Ohr. Das könnte meine Fee Tinkerbell sein, aber natürlich bin ich mir nicht sicher, denn zuvor trug das Mädchen ja nur ein Tanktop. Raul murmelt etwas und sieht plötzlich in meine Richtung. Das Mädchen dreht mir jetzt den Rücken zu und verschwindet schnell durch eine schmale Tür am Ende des Raumes.
    „Wer war das?“, frage ich Raul und meine Stimme bekommt wieder diesen charakteristischen schrillen Ton.
    „Spionierst du mir jetzt nach?“ Raul klingt süffisant, die einvernehmliche Wellenlänge, die sonst zwischen uns herrschte, ist wohl für immer verloren gegangen und das ist meine Schuld.
    „Wer das war, will ich wissen!“, zische ich und blecke meine Zähne wie ein Wolf.
    „Es war jemand, der mich um einen Gefallen gebeten hat! Und jetzt lass mich bitte in Ruhe, Adriana! Verstehst du? Ich will eine Zeit lang nichts mehr von dir hören oder sehen!“
    „Ich bin aus der Klinik geflüchtet!“ Plötzlich bricht alles aus mir heraus und ich erzähle Raul von meiner Flucht und natürlich auch von Talvin, der verschwunden ist.
    Mit einem Seufzer legt Raul die Karten auf den Tisch.
    „Ich passe!“, ruft er in die Runde, dreht sich dann zu mir, fasst mich an den Schultern.
    „Hör mir zu, Adriana!“ Er fixiert mich mit seinen dunklen Augen. „Was du mir da erzählst, ist

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