Die Fotografin
klopfte dem anderen auf den Rücken. Alexa ging benommen neben ihr her. Plötzlich blieb sie so abrupt stehen, daß der Mann hinter ihnen ihr das Objektiv seiner Kamera ins Kreuz rammte.
»Lavendelextrakt« stand auf dem großen silbernen Behälter, aus dem ein Mann mit gerötetem Gesicht und schrundigen Händen kleine Flaschen abfüllte. Daneben lagen Berge von Lavendelsträußen, alle mit einer blauen Kordel umwikkelt. Als er sah, daß Alexa ihn anstarrte und endlich auch Catherine stehenblieb, schwenkte der Lavendelverkäufer mit einem fröhlichen »Mesdames!« eine noch nicht verkorkte Flasche in ihre Richtung. Alexa wich zurück.
Catherine winkte dem Mann zu und zog sie am Arm weiter.
»Liegt das immer noch überall herum in deinem Haus, das Gemüse?«
»In Wagenladungen«, sagte Alexa und versuchte zu lachen. Aus allen Ecken krümelten die kleinen blauen Blüten hervor.
»Ada schwor auf Lavendel. Gegen Mücken, Flöhe, Skorpione. Gegen Rheuma, Allergien und Schlaganfall. Gegen Depressionen, Katerstimmung und Liebeskummer.«
Ada Silbermann. Ihr schien das Haus in Beaulieu noch immer zu gehören.
Catherine drückte Alexas Arm. »Das scheint bei dir nichts zu nützen.«
»Und hat es vielleicht ihr geholfen?« Der Satz war ihr herausgerutscht, ohne daß sie wußte, was sie damit sagen wollte. Schließlich gab es ein paar völlig undramatische Gründe, warum eine Frau verschwand: Sie hatte ihren Ehemann satt. Sie war zu einem anderen gegangen. Sie wollte…
Catherine seufzte. »Wer weiß, warum sie ging und wo sie geblieben ist. Eines Tages war sie nicht mehr da. Anfang Oktober war das, nach dem großen Regen. Die Marktstände bogen sich vor Steinpilzen.« Sie blieb wieder stehen. »Wir waren alle völlig schockiert. Und Ernest…«
Anfang Oktober, dachte Alexa. Vor einem Jahr. Damals hat alles angefangen – an einem sonnigen Herbsttag. Wenn er nicht gewesen wäre… Vielleicht wäre ich dann heute nicht hier.
»Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn man plötzlich allein ist«, sagte sie leise. Aber Catherine war schon wieder ganz woanders.
Sie hielt sich ein Stück gelber Seife vor die Nase.
»Riech mal«, sagte sie und reichte Alexa das Seifenstück. Auf dem Tisch, vor dem sie standen, lagen dicke Blöcke aus Seife, braune, blaue, gelbe oder rote, in denen wie Insekten in Bernstein Limonenscheiben eingeschlossen waren oder Rosmarinzweige oder Lavendelblüten. Die Frau am Stand verkaufte die Seife scheibenweise, in durchsichtige Folie verpackt.
Alexa schnupperte folgsam. »Und ihr habt nie wieder von ihr gehört…«
Catherine legte die Seife zurück und nickte der Frau freundlich zu, bevor sie weiterging. »Nie wieder.«
»Aber…« Irgendwie ist sie noch immer da, hätte Alexa fast gesagt.
»In alten Häusern bleibt immer etwas von all denen, die in ihnen gelebt haben. Es macht ihren Zauber aus, oder?«
Klar, dachte Alexa. Natürlich hat das Charme. Aber warum nährt sich ausgerechnet in meinem Haus der Zauber aus Menschenschicksalen, die man beim besten Willen nicht glücklich nennen kann? Zwei Söhne gefallen, ein Mann ermordet, eine Frau verschwunden, ein Kind gestorben… Und schließlich: Eine Frau, von ihrem Liebsten verlassen.
Das jedenfalls ist noch steigerungsfähig.
Felis lag schlafend auf der Terrasse, als Alexa nach Hause kam. Sie streichelte die Katze, verstaute die Einkäufe in Kühlschrank und Keller, wusch ab, putzte Küche und Bad, säuberte den Küchenschrank bis in die hinterste Ecke von vertrockneten Lavendelblüten und machte einen großen Bogen um den Raum, in dem die Bauers alle Überbleibsel der Vorbesitzer verstaut hatten, mit denen sie nichts anfangen konnten. Als er noch da war, hatte er den Raum inspiziert und etwas von kaputten Stühlen, einem Bettgestell und vielen Koffern gesagt. Irgendwann würde sie dort aufräumen müssen. Aber nicht jetzt. Nicht heute.
Vom Kirchturm her schlug es vier Uhr. Sie legte sich in den Liegestuhl auf die jetzt schattige Terrasse und machte es wie die immer noch schlafende Felis: Sie schloß die Augen.
Wovon sie aufgewacht war, wußte sie nicht mehr. Ihr Herz raste wie nach einer mit knapper Not überstandenen Gefahr. Sie setzte sich auf und massierte sich das schmerzende Kreuz. Wie konnte man nur so lange schlafen – es war schon dunkel geworden. Sie blickte in den Himmel. Dort waren Gewitterwolken aufgezogen. Im nächsten Augenblick zog eine Windbö eine Schleppe aus feinem Staub über die Terrasse.
Alexa spürte, wie sie eine
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