Die Fotografin
war mit einem Terrorismusopfer?«
»Karen! Soll ich etwa in die Personalakten gukken?«
»Nein. Steiner fragen.«
»Das sind geschützte Informationen, Karen. Steiner würde sich strafbar machen, wenn er…«
»Wenn er dir genau dieses sagt, ist das auch eine Information.«
Wenzel seufzte und legte auf. Karen machte sich auf einen langen, harten Tag des Wartens gefaßt und beschloß, sich die Haare zu tönen. Das Rot war ausgebleicht, und der Glanz ließ zu wünschen übrig.
Sie wusch sich die Haare, rieb sie sich trocken und mischte das Färbemittel. Sie hatte die Pampe etwa zur Hälfte im Haar verteilt, als das Telefon klingelte.
Hoffentlich hinterläßt die Farbe keine unauslöschlichen Spuren auf dem Linoleum, dachte sie, als sie aus dem Bad zum Telefon lief.
»Karen, ich hoffe, du bist es jetzt zufrieden und läßt die Sache auf sich beruhen.« Manfred Wenzel klang, als versuche er ein unleidliches Kind ruhigzustellen.
»Versprochen«, sagte Karen und lächelte ins Telefon.
»Also: Steiner erinnert sich, daß er noch vor etwa vier Jahren alle betreffenden Waffen im Asservatenverzeichnis hat nachweisen können. Ein junger Beamter hat damals etwas über den Waffenraub wissen wollen, ein Typ, von dem er viel gehalten haben muß. Und der hat kurze Zeit später seinen Abschied genommen.« Wenzels Stimme verriet Befriedigung.
»Und wer war der junge Mann, der eine vielversprechende Karriere in den Wind geschossen hat?«
»Karen…« Wenzel klang entnervt.
»Sag schon.« Sie sah fasziniert zu, wie zwei dunkelrote Tropfen auf das weiße Bettlaken fielen, wo sie erst kleine Hügel bildeten, bevor sie in die Breite gingen und in die Textur einsickerten. Hoffentlich konnte man das wieder rauswaschen.
»Ruben Berg.« Manfred Wenzel seufzte. »Sohn des Chauffeurs dieses Wirtschaftsmanagers – na, wie hieß der noch? Es sind damals auch die drei begleitenden Polizisten erschossen worden.«
Karen hielt die Luft an. Das war der Fall, an den Paul und sie gedacht hatten.
»1986«, fügte Wenzel hinzu. In Zahlen war er gut.
»Da war der junge Ruben wie alt?«
»Sechzehn.«
11
D er Sohn eines Terrorismusopfers beim BKA. Beim Abschied nimmt er Waffen aus einem terroristischen Raubüberfall mit, die in der Asservatenkammer gelegen haben, darunter zwei Waffen, mit denen Jahre später zwei ehemalige Angehörige der Terroristenszene erschossen werden…
Karen hatte keinen Zweifel daran, daß Ruben Berg der Mann war, den sie suchte. Eine dritte Waffe wurde bei Ada Silbermann gefunden, die offenbar sterben mußte, weil sie den einen der beiden Exterroristen erkannt hatte. Wollte Ruben Berg damit eine Spur legen?
Karen saß an einem Tisch im Schatten auf der Terrasse der Auberge du Sud und merkte plötzlich, daß sie die Papierserviette in kleine Fetzen zerrissen hatte. Bremer war schon vor einer halben Stunde mit dem Fahrrad fortgefahren. »Es ist etwas anstrengend, dir beim Denken zuzuschauen«, hatte er entschuldigend gesagt.
Karen fegte die Papierfetzen mit der Hand zusammen und seufzte. Wichtiger war die Frage, wo der Mann jetzt war – und wer er war. Die Personenbeschreibung, die Wenzel von Steiner bekommen hatte, war sehr allgemein gewesen. Aber sie paßte auf niemanden, der ihr und Paul in den letzten Tagen begegnet war. Und außerdem dürfte sich der selbsternannte Rächer längst aus dem Staub gemacht haben.
Sie ertappte sich bei widersprüchlichen Gefühlen, wenn sie an den Mann dachte. Was war das für ein Mensch, der sechzehn Jahre seines Lebens mit dem Gedanken an Rache vergeudete? Und der sich dazu Opfer aussuchte, die mit dem Tod seines Vaters gar nichts zu tun gehabt hatten?
Aber – weiß man das? fragte sie sich. Man konnte davon ausgehen, daß Martin Schmid damals längst ausgestiegen war aus der Szene. Und Eva Rauch?
Ungeduldig schüttelte sie den Kopf. Das waren Fragen, die sie nicht weiterbrachten. Sie mußte Ruben Berg finden. Aber wie? Da offiziell keine Straftat vorlag, konnte sie nicht nach ihm fahnden lassen.
Dutoit war bereits das dritte Mal vorbeigekommen, und um ihn nicht zu kränken, hatte sie einen Kaffee bestellt. Die Tasse stand noch immer unberührt auf dem Tisch, der Kaffee war längst kalt geworden. Am Himmel zogen Wolken auf. Sie merkte plötzlich, daß sie allein auf der Terrasse saß, nur ein Spatz pickte unter dem Nebentisch nach Krümeln. Zornig über ihre Hilflosigkeit stand sie auf, nahm ihre Handtasche und beschloß, hinauf ins Dorf zu gehen.
Als sie kurz vor dem
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