Die Fotografin
nur zwei Spieler: den Staat und jene, die seine Ordnung in Frage stellen. Aber beide verlangen ihr Menschenopfer. Auch der Staat.«
Das Licht ließ alles andere um sie herum ins Dunkel zurücktreten. Auf dem weißen Plastiktisch mit der rosa Serviette in der Mitte lag Karens Hand mit den blutrot lackierten Nägeln wie ein Requisit aus der Geisterbahn.
»Du denkst an Hanns-Martin Schleyer«, sagte sie.
»Zum Beispiel.« In Deutschland hatte damals die Staatsräson gesiegt. Bis auf weiteres, dachte Bremer.
Sie hatte die Unterlippe zwischen die Vorderzähne genommen und starrte in die Dämmerung.
»Und dann die anderen, die dran glauben mußten, weil sie im Weg standen: unbeteiligte Passanten, Hauspersonal, Begleitpersonen, Bodyguards…«
»Chauffeure.«
Sie hatten wahrscheinlich beide dasselbe vor Auge – die Szenerie eines besonders blutigen Terrorakts, bei dem nicht nur der zur Vernichtung freigegebene Wirtschaftsmanager, sondern auch der Chauffeur und die drei Polizisten im Begleitfahrzeug daran glauben mußten. Sie wurden hingerichtet. Anders konnte man es nicht nennen.
»Polizisten.«
Karen sah ihn an und nickte. »Es wäre immerhin vorstellbar«, sagte sie langsam, »daß einer der Kollegen, Freunde oder Verwandten eines bei einem Terroranschlag getöteten Polizisten einen Rachefeldzug geplant hat. Und zwar gegen die, von denen er wußte, daß sie nicht nur ihrer Strafe entgangen sind, sondern auch noch frei und unbehelligt leben.«
»Zum Beispiel.«
»Wir suchen also jemanden, der nicht nur die Terroristen und Aussteigerszene gut kennt, sondern der auch an die Waffen herankam – also jemanden, der Zugang zur Asservatenkammer des BKA hatte. Wer wußte von der Geschichte ausgerechnet dieser Waffen? Man müßte herausfinden…«
Bremer hätte fast gelacht. Karen fühlte sich wieder im Amt.
»Das würde zumindest die Fälle Eva Rauch und Martin Schmid abdecken«, sagte er. »Aber wie paßt Ada Silbermann?«
Karen zupfte sich das Blatt aus dem Haar, das von den Platanen heruntergeweht war. »Ich tippe auf eine Affekttat von Martin Schmid, der sich durch sie enttarnt fühlte. Unklar ist nur, warum eine der ominösen Waffen bei der Leiche gefunden wurde.«
Die deutlich kleiner gewordene Mondsichel stand jetzt weit oben am Himmel. Die Sterne waren näher gerückt. »Man müßte wissen, ob jemand aus dem BKA oder mit guten Beziehungen zur Behörde in irgendeiner Weise mit einem Terroropfer verbunden ist.«
Er sah sie fragend an.
»Ich weiß nicht, ob Manfred Wenzel noch einmal mitspielt.«
Karen klang mit einem Mal wieder mutlos. »Im Grunde ist die Sache verfahren. Was niemand wissen will, wird auch nicht ermittelt. Und mich hat man in Frankfurt längst auf die Strafbank gesetzt.«
»Und wenn Dorothea v. Plato die Person mit dem guten Draht zum BKA wäre? Ist nicht ihr Exmann irgendein hohes Tier im Justizministerium?«
Karen sah aus, als ob sie auf die Idee auch schon gekommen wäre. »Möglich. Sie gibt immerhin zu, daß sie kurz vor seinem Tod in Martin Schmids Haus war. Und Eva Rauch lebte in Frankfurt. Andererseits…« Karen lachte. »Weißt du, warum sie bezweifelt, daß Schmid Selbstmord begangen hat?«
Bremer schüttelte folgsam den Kopf.
»Er lebte noch, als sie ankam. Selbstmord, sagt sie, wäre ihm auch gelungen.«
10
K aren, ich werde dir nie vergessen, was du damals für Alexander Bunge getan hast – und für mich. Aber ich begreife einfach nicht, was dich dazu treibt, dir deinen Urlaub mit einer Denkübung zu verderben, die völlig vergeblich ist.«
Karen hielt den Hörer auf Abstand und nickte brav.
»Du ruinierst dir deine Zukunft, was anderes wird nicht dabei herauskommen.«
Ja, Wenzel, du hast wahrscheinlich recht, Wenzel.
»Und mich ziehst du da auch noch rein, in deine – Obsessionen.« Manfred Wenzel klang wehleidig.
»Manfred, tu mir den Gefallen. Wenn du recht hast, sind meine Fragen alle lediglich akademischer Natur. Dann tun sie auch niemandem weh. Außerdem…« Karen grinste in sich hinein. »Du kennst doch die neueste Untersuchung: Menschen, die im Urlaub sinn und tatenlos in der Sonne herumliegen, verlieren nach drei Wochen mindestens 20 Prozent ihrer Intelligenz. Auf diese Weise verblöde ich wenigstens nicht.«
Er lachte, wenn auch etwas gezwungen.
»Also – das sind, versprochen, meine letzten Fragen: a) Weiß man, wann die Waffen aus der Asservatenkammer verschwunden sind? Und b): Gibt oder gab es beim BKA einen Menschen, der verwandt oder befreundet
Weitere Kostenlose Bücher