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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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er gesessen«, sagte er und stützte die dünnen Ellenbogen auf den Tisch.
    »Kurz bevor sie ihn holten.«
    »Wer?« Alexa spürte wieder das Unbehagen beim Gedanken an den Tod des Alphonse. »Ist er…?«
    »Die Deutschen haben ihn geholt. Er sollte eine Aussage machen.« Crespins Hände spielten mit dem Kaffeelöffel. »Als er zurückkam, hatten sie ihn grün und blau geschlagen.«
    »Ist er nicht umgebracht worden?« Ihr war flau.
    Crespin sah noch immer nicht auf. »Ist er. Aber nicht von den Deutschen. Einen Monat später haben ihn die anderen geholt.« Sein Blick streifte sie, als ob er überprüfen wollte, daß sie ihm folgen konnte. »Die unseren. Pierre Ronsard war dabei. Und Marius. Und François. Sie haben sich nach dem Krieg als Helden des Widerstands feiern lassen.« Der alte Herr verzog den Mund.
    »War er – ein Kollaborateur?«
    Crespin stand auf, ging zum Herd und schenkte Kaffee nach. Dann rückte er den Stuhl heran und setzte sich wieder.
    »Er war ein Dummkopf.«
    Alexa sah ihn ungläubig an. Fast hätte sie gesagt, daß darauf nicht die Todesstrafe stehe.
    »Die Deutschen hatten ihn beschuldigt, an einer Aktion gegen den Polizeipräfekten beteiligt gewesen zu sein.« Crespin schnaubte, als ob er allein die Idee schon unsinnig fand. »Aber er hatte ein Alibi.« Der alte Herr zog umständlich ein Taschentuch aus der Hosentasche und schneuzte sich.
    »Beatrice hieß sein Alibi. Und das hat er den Deutschen auch noch gesagt. Und damit wußten es alle.«
    Der Alte blickte gedankenverloren ins Taschentuch und knüllte es dann sorgfältig zusammen. »Beatrice Ronsard hatte ein Verhältnis mit Alphonse Champetier. Das war seine Kollaboration. Er hat mit der Frau seines besten Freundes im Bett gelegen.«
    Alexas Gesicht mußte ihm gezeigt haben, daß auch diese Erklärung ihr nicht genügte.
    Der Alte lachte. »Nein, Kindchen. Das bißchen Seitensprung war nicht das Drama. Aber daß er Beatrice verraten hat, der feige Hund – das war unverzeihlich.« Seine Augen gingen in weite Fernen. »Pierre soll ihm eigenhändig den Strick um den Hals gelegt haben.«
    »Wo hat man seine Leiche gefunden?« Nicht im Haus, hoffte Alexa. Bloß nicht im Haus.
    »Im Bois de Peyrebelle. In einer der Grotten. Man hätte ihn nie gefunden, wenn Madeleine nicht mit dem Hund nach ihm gesucht hätte.«
    »Und Madeleine?«
    »Madeleine…« Crespin schien noch immer die Wand hinter ihr zu fixieren.
    Was mochte sie gefühlt haben, dachte Alexa – Champetiers Frau? All die Jahre mit Nachbarn zusammenzuleben, die ihren Mann auf dem Gewissen hatten – und die zugleich wußten, was für ein armseliger Feigling er gewesen war…
    Der Alte sah aus, als dachte er etwas Ähnliches.
    Nach einer Weile begann sein schmaler Mund sich zu einem Lächeln zu verziehen. »Ada hat mir ein Loch in den Bauch gefragt nach der Geschichte des Hauses.«
    Wahrscheinlich kennt sie auch andere grausige Details, an die ich gar nicht erst denken möchte, dachte Alexa mit einem Anflug von Eifersucht.
    »Sie ist oft im Bois de Peyrebelle gewesen. Sie hat sogar behauptet, sie hätte die Grotte gefunden, in der Alphonses Leiche gelegen hat.« Crespins Lächeln verschwand. »Manchmal denke ich, auch sie ist dort verlorengegangen, an jenem Herbstnachmittag.« Er schüttelte den Kopf.
    »Aber das kann ja nicht sein.«
    Alexa spürte, wie Neugier sich wieder in ihr regte. Und wenn sie Adas Spuren nachginge? Und wenn sie… Plötzlich hatte sie es eilig.
    Als sie ins Haus zurückgekehrt war, fiel ihr ein, daß sie den alten Herrn gar nicht nach Philipp Persson gefragt hatte.

14
    Frankfurt
    S ie hätte sich nicht hinlegen sollen. Mittagsschlaf machte nicht wacher, im Gegenteil. Jetzt war es schon später Nachmittag und sie hatte einen ganzen der so seltenen freien Tage vergammelt. Dorothea v. Plato rollte sich aus dem Bett. Arme und Beine schmerzten, als ob sie seit Stunden »Händeschütteln beim Tag der offenen Tür« geübt hätte. Sie konnte sich keinen Muskel in ihrem Körper vorstellen, der nicht weh tat. Leise stöhnend ging sie ins Bad. Sie wusch sich das Gesicht, ohne sich dem Anblick mehr als nötig auszusetzen. Der Tee, den sie sich in der Küche machte, schmeckte wie abgekochtes Stroh.
    Das Grußwort beim Benefizessen der »Liga gegen Brustkrebs« heute abend hatte sie absagen lassen. Daß sie sich krank fühlte, war noch nicht einmal gelogen. Ihr Zustand fühlte sich wie Hongkonggrippe an – nur, daß der Auslöser kein Virus war und nicht Hongkong

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