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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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lief mit den Händen über den Ohren die Straße hinunter. Und dann begann das Kind von Renoir zu brüllen. Alle Hunde fingen an zu jaulen, Ruby hier«
    – er klopfte dem Tier die feuchte Flanke, das ergeben neben ihm saß und die Nase in den Duftstrom hielt, der vom Kuchenteller herüberwehte – »Ruby machte den Anfang.« Der Hund hob stolz den Schwanz.
    Der Alte schob den Stuhl zurück und stellte die Flamme unter der Espressokanne kleiner, in der es schon zu blubbern begonnen hatte.
    »Schließlich stieg der junge Axel in den Turm hinauf. Du hättest das sehen sollen« – er goß ihr und sich die tiefschwarze Brühe in die Tassen – »wie wir da standen und nach oben stierten, alle gafften mit offenen Mündern zum Kirchturm hoch, der liebe Gott hätte seine Freude gehabt.«
    Alexa schaute gebannt zu, wie Crespin sich drei Teelöffel Zucker in den Kaffee rührte.
    »Und plötzlich« – Crespin pustete in die Tasse und nahm den ersten Schluck. »Und plötzlich…« Er setzte die Tasse ab, breitete die Arme aus und strahlte.
    »Stille. Himmlische, wunderbare Stille.«
    Alexa hatte zu ihrer Überraschung das ganze Stück Kuchen aufgegessen und nahm sich ein zweites.
    »Als Axel wieder herunterkam, schlugen ihm alle begeistert auf den Rücken. Am nächsten Tag tat ihm die Schulter weh und ich hatte einen steifen Nacken.«
    Crespin spießte ein großes Stück Kuchen auf die Gabel und zeigte damit in Alexas Richtung.
    »Und willst du wissen, woran das Dauergebimmel lag?«
    »Klar«, sagte Alexa.
    Crespin schob sich die Gabel in den Mund, kaute und nickte anerkennend zu ihr hinüber.
    »Die Uhr steht auf, sagen wir mal: vier Uhr und drückt einen Hebel herunter, der wiederum einen anderen Hebel hochdrückt, der ein Zahnrad freigibt. Das beginnt sich zu drehen und mit jedem Zacken ein Hämmerchen zu bewegen, das auf die Glocke schlägt.«
    Crespin sah aus, als hätte er diese Erklärung lange und gründlich geübt. »Verstehst du?« fragte er, stand auf, ging zum Büffet und nahm einen Kugelschreiber aus der Vase. Dann setzte er sich wieder und begann, auf der Papiertischdecke zu zeichnen.
    »Also der große Zeiger der Uhr steht auf voll, der kleine auf vier; dann drückt es diesen Hebel hier herunter, der drückt diesen hier hoch, der gibt das Zahnrad exakt viermal frei und das treibt den Klöppel an, der die Glocke schlägt.«
    Alexa sah sie vor sich, die Männer des Dorfes, wie sie im Café an der Bar standen und die technischen Fakten des unerhörten Vorfalls erörterten, einander ins Wort fielen oder zunickten oder sich alte Esel schimpften. Nach mehreren solcher Diskussionen und vielen Zeichnungen auf Bistrotischdecken und Servietten wußte unter Garantie jeder männliche Erwachsene über achtzehn Jahren, wie ein Kirchenuhrwerk funktionierte.
    Sie tat, als ob sie ihm folgen konnte.
    »Was also war geschehen?« Crespin hatte die Hände vor der Brust zu einem Dach zusammengelegt und sah so bescheiden aus wie der Klassenbeste bei der richtigen Antwort.
    »Der Hebel, der heruntergeht, um das Zahnrad freizugeben, ging nicht mehr hoch, um es anzuhalten.«
    Alexa nickte.
    »Und warum nicht?«
    Alexa bemühte sich, interessiert zu gucken.
    »Auf diesem Hebel, einem Hebelchen, saß eine verirrte Brieftaube und verhinderte mit ihrem Gewicht, daß er wieder heraufgehen konnte. Deshalb läutete die Glocke ununterbrochen.«
    Muß eine ziemlich taube Taube gewesen sein, dachte Alexa und grinste. »Und was wurde aus dem Vogel?«
    Crespin schaute sie sekundenlang an, als ob er »Weiber und ihre Fragen!« dachte und schüttelte dann das Haupt. »Die ist nach Hause geflogen, als sie Axel sah, nehme ich mal an.«
    Beide schwiegen.
    »Das ist eine schöne Geschichte«, sagte Alexa im selben Moment, in dem Crespin »Das ist ein wunderbarer Kuchen« sagte. Während er sich in das zweite Stück vertiefte, steckte sie Ruby heimlich einen Happen zu.
    Ihr Blick ging zu den Bildern auf dem Kaminsims. »Ist das gut, daß jemand wie ich dort wohnt, ich meine: in meinem Haus?« fragte sie leise.
    Crespins Gesicht war unergründlich geworden.
    »Ich meine – nach all dem, was geschehen ist…« Sie kam sich ungeschickt vor. Sie wußte nicht, wie sie formulieren sollte, was Philipp Persson ebenso flüssig wie boshaft von den Lippen gegangen war.
    »Wie – ist er gestorben?« Sie hätte fast gestottert. »Ich meine – Alphonse.«
    Lucien Crespin nickte mit dem Kopf, als ob er diese und keine andere Frage erwartet hätte.
    »Da drüben hat

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