Die Fotografin
sie nicht zu wissen.«
»Vielleicht wissen sie wirklich nichts?«
Karen prustete, leerte ihr Glas und hob den schweren Bembel mit der linken Hand hoch. Es war das »Wer-hat-mehr-Muckis-Spiel«, das sie immer spielten, wenn sie hier zusammensaßen.
»Ich hab mal in ihrer Personalakte geblättert.«
Paul verzog das Gesicht.
»Nein, ich bin nicht eifersüchtig.« Karen rückte näher an ihn heran. »Aber sie war Referatsleiterin im Justizministerium. Was will die bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft?«
»Karriereknick?«
»Da müßte sie schon goldene Löffel gestohlen haben.« Karen nahm die Unterlippe zwischen die Zähne. »Nein – ich glaube, sie sollte genau das tun, was sie auch getan hat: die Akte Eva Rauch schließen!«
»Eine Undercoveragentin?« Er erdreistete sich, spöttisch zu grinsen.
»Genau. Auf dringendes Ersuchen des BKA.«
»Komm, Karen. Dafür hast du keinen Anhaltspunkt.«
»Und wenn ich dir sage…«
»Frau Kämpfer konkurriert mit dir. Das ist ja wohl normal. Sie verhält sich so, wie es jeder Mann an ihrer Stelle auch täte: Angriff ist die beste Verteidigung.«
»Aber warum ausgerechnet gegen die einzige Frau?«
»Kennst du einen anderen ernst zu nehmenden Konkurrenten?«
Er mußte ihr angesehen haben, was sie dachte.
»Und erzähl mir nichts von Solidarität und daß ihr Frauen so viel kooperativer seid als die Männer. Den Quatsch glaubt doch schon lange niemand mehr.«
Sie mußte lachen. »Aber…«
»Meinst du wirklich, das BKA schickt dir jemand auf den Hals, weil du dich für eine Frau Rauch interessierst?«
Karen schwieg und spielte mit dem Bierfilz. Nebenan stritt sich eine Gruppe Frankfurter Ureinwohner darüber, ob die Türken Frankfurts sauberer seien als die Jugoslawen. Ein Mann mit einem großen Korb im Arm kam durchs Gartentor und klingelte mit einer Fahrradglocke. »Ei, der Brezzlbub!« riefen die beiden alten Damen am Tisch und winkten ihn heran. Während sich das Liebespärchen küßte, sah Karen fasziniert zu, wie das gefüllte Ebbelweiglas, das vor dem jungen Mann stand, erst wackelte, dann wieder stehenblieb und schließlich doch, wenn auch mit einer Geste des Bedauerns, umkippte.
»Wer hatte die Rippchen?« Der Kellner balancierte vier große Teller.
Die zwei Japaner am Nachbartisch sahen auf die Teller und dann einander an und hoben schließlich zaghaft die Zeigefinger.
»Also komm – glaubst du das wirklich?« fragte Paul.
Nein, dachte sie. Ja. Vielleicht.
3. BILD
1
Beaulieu
A lexas Gesicht brannte, als ob sie ihre Haut mit der Nagelbürste bearbeitet hätte. Ununterbrochen wehte der Wind, ein trockener, heißer Wüstenwind. Er roch nach Meer und schmeckte salzig. Die feinen Sandkörnchen, die er mitbrachte, drangen unter die Fingernägel, verklebten die Haare, knirschten auf den Zähnen. Wie Flaum lag der rotbraune Staub auf der Wäsche, die zum Trocknen auf der Leine hing, auf den Autos, auf Tischen und Stühlen, auf Büschen und Bäumen. Und stündlich wurde es heißer.
Lucien Crespin, der vor ein paar Minuten mit gerunzelter Stirn auf die Veranda getreten war, zu ihr herübergewunken und ohne hinzusehen ans Barometer geklopft hatte, lehnte sich plötzlich weit über die Brüstung und suchte mit den Augen den Himmel ab.
»Da kommen sie!« sagte er. »Hörst du?«
Sie hörte das tiefe Brummen, bevor sie die Flugzeuge sah. Vier, nein: fünf Propellermaschinen flogen in einer Linie am dunkler werdenden Horizont entlang.
Canadairs. Löschflugzeuge.
»Es brennt bei Lablanche.« Crespins Blick folgte den dickbauchigen Maschinen.
Es brannte seit Tagen in den Wäldern der Cevennen. Viel zu lange schon hatte es nicht mehr richtig geregnet; der Gewitterschauer am Mittwoch war verdampft wie nichts. Die Kiefern und Fichten und Pinien mußten trocken sein wie Zunder, das Unterholz ausgedörrt, das Gras vertrocknet. Viel gehörte nicht dazu, sie in Brand zu setzen – ein parkender Wagen mit heißem Katalysator, eine weggeworfene Zigarette. Oder ein Brandstifter.
Alexa glaubte, den scharfen Geruch in der Nase zu haben, den Geruch von brennendem Holz, von versengtem Gras. Wie weit das Feuer wohl entfernt war vom Dorf?
»Da!«
Ihre Augen folgten Crespins ausgestrecktem Arm. Rechts vom Tour de Barzac sah sie den roten Vorhang, in den die Wasserflugzeuge hineinflogen. Kurze Zeit später schien er sich aufzublähen, nachdem die Maschinen eine nach der anderen wieder abgedreht waren, als ob die Tonnen Wasser, die sie aus ihren dicken Bäuchen über
Weitere Kostenlose Bücher