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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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hocherfreut über Ihren Besuch, Madame. Wir stehen Ihnen zur Verfügung mit allem, was wir haben« – seine ausgebreiteten Arme umfaßten den Raum und die nüchternen Büromöbel, den Kalender an der Wand mit den ländlichen Motiven, den Papierkorb und die Wanduhr mit den roten Leuchtziffern, als ob hier die Lounge des Negresco wäre. Er machte eine erwartungsvolle Pause.
    Karen sah hilflos zu Paul herüber. »Er hat dich höflich begrüßt«, sagte Bremer.
    »Vielen Dank«, sagte Karen und lächelte dem Mann zu.
    »Wir freuen uns, hiersein zu dürfen in diesem wunderbaren Land und bedanken uns für die außerordentlich entgegenkommende Begrüßung«, übersetzte Paul.
    Der Mann strahlte, klappte ein Stück vom Tresen hoch und lud sie mit galanter Geste ein näherzutreten. Sein Kollege hämmerte auf der Schreibmaschine herum ohne aufzusehen. Vorsichtshalber grüßte Bremer auch in seine Richtung.
    Der Gendarm, dessen Namensschild ihn als »BOISSET Bernard« auswies, rückte ihnen zwei Stühle heran. »Was kann ich für Sie tun?«
    Paul versuchte zu erklären, daß Karen von der Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main sei und was sie hier wollte. Der andere hörte höflich zu und schrieb mit einem abgekauten Bleistift irgend etwas auf einen kleinen Spiralblock.
    Als Bremer glaubte, die ganze wirre Geschichte einigermaßen nachvollziehbar geschildert zu haben, kratzte der Gendarm sich mit dem Bleistift hinter dem Ohr, schüttelte den Kopf, ohne aufzuschauen, und sagte schließlich: »Selbstverständlich tun wir alles, was in unserer Macht steht.«
    Karen, die immer unruhiger auf dem Stuhl hin und her rutschte, flüsterte im Befehlston: »Sag ihm, ich wüßte gerne Näheres über die Waffe!«
    Bremer übersetzte unter Wahrung der landesüblichen Höflichkeitsformen.
    »Die Waffe, natürlich, aber selbstverständlich, Madame, die Waffe…« Monsieur Boisset kniff – nach einem weiteren strahlenden Lächeln in Richtung Karen – seine Augenbrauen zusammen, als habe er Zahnschmerzen, und überschüttete Bremer mit einem Schwall von Worten, in denen wiederholt sein tiefes Bedauern zum Ausdruck kam, ebenso wie der dringende Wunsch, einer geschätzten – tja, also: Kollegin – nützlich zu sein.
    »Man ermittelt noch«, übersetzte Bremer. »Er weiß leider gar nichts, und das, was er weiß, darf er nicht sagen.«
    »Wer ist der ermittelnde Staatsanwalt?« Karen versuchte erst gar nicht, mit Boissets wortreichem Charme zu konkurrieren.
    Bremer zögerte. »Karen, ich weiß nicht…«
    »Der mauert doch, dein Franzose«, zischte sie.
    »Klar – aber würdest du jedem hergelaufenen…« Sie sah ihn an, die Augen protestierend aufgerissen. Und plötzlich spürte Bremer, daß der große, stabile Fels in der Brandung neben ihm unterspült war; daß Karen sich hilflos und ausgeliefert fühlte. Karen Stark war nicht mehr in ihrem Element. Karen Stark hatte nichts mehr zu sagen. Karen Stark war ohnmächtig.
    In ihren Augen las er, daß sie das längst, wenn auch widerwillig, begriffen hatte. Sie seufzte.
    »Kann er mir wenigstens etwas über die Tote sagen?«
    Bernard Boisset hob theatralisch die Hände und ließ sie dann sanft segnend über den Laufmappen und Papierstapeln auf seinem Schreibtisch schweben. »Wir sind alle tief bestürzt. Die Trauer der Freunde, der Anverwandten. Und das ausgerechnet hier, bei uns, in unserem schönen Landstrich!« Der Mann schüttelte den Kopf und sah gen Himmel, der an der mit breiten Lichtkästen versehenen Decke des Revierzimmers endete.
    Bremer guckte zu Karen hinüber. Er sah ihrem Gesicht an, daß ihre Ohnmacht sie wütend machte.
    »Beruhige dich«, zischte er. »Der Mann ist bloß höflich.«
    »Er will mich demütigen.«
    Boisset sah mit feierlichem Gesicht erst Paul, dann Karen an. »Es ist eine Schande. Wo soll das noch enden.«
    »Ada Silbermann…«
    »Ein großer Verlust. Ein furchtbarer Verlust.« Der Mann war hingerissen von den eigenen Gefühlen.
    Als Karen Anstalten machte, etwas zu sagen, legte Bremer ihr warnend die Hand auf den Arm. Boisset hatte den Kopf über seinen Notizblock gesenkt. Dann riß er das oberste Blatt heraus, knüllte es zusammen und schnippte es, mit sichtbarer Freude über das offenbar gründlich eingeübte Kunststückchen, in den großen Papierkorb unter dem Fenster.
    Als er sich dem Besuch wieder zuwandte, war sein Lächeln schmaler geworden. »Wenn Madame vielleicht veranlassen könnte, daß Ihre Dienstbehörde uns etwas Schriftliches zukommen läßt

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