Die Fotografin
– nichts Großartiges, natürlich.« Er sah Karen entschuldigend an.
»Eine Anfrage auf dem Dienstweg über Paris. Etwas, was unsere Bürokraten lochen und abheften können.«
Wieder umfaßte Boissets Hand den ganzen Raum mitsamt den Regalen voller Aktenordner. Dann beugte er sich zu seinen Besuchern herunter und flüsterte beschwörend: »Etwas Offizielles… «
13
Auf dem Weg nach Beaulieu
W as willst du, Kleiner, verdammt?« Sie mußte laut gesprochen haben, denn der Mann, dem sie an der Mautstation hinter Pouzin ihre Kreditkarte hinhielt, sah sie belustigt an und wünschte ihr eine besonders gute Fahrt.
Die eine Möglichkeit: Er wollte wirklich nach Hause kommen. Er wollte sich stellen, den Prozeß hinter sich bringen und nach guter Führung bald wieder entlassen werden. Natürlich würde das die ganze alte Geschichte wieder nach oben spülen, mitsamt der pikanten Details, darunter einige, die sie betrafen und die man heute, anders als damals, womöglich ungeheuer aufschlußreich finden würde. Dorothea rutschte tiefer in den ausgeleierten Kunstledersitz des Leihwagens. Wenn sie glaubhaft machen wollte, daß sie damals wirklich nichts gewußt hatte, würde sie ziemlich dämlich dastehen – genauso beschränkt, wie sie ja auch gewesen war. Versuchte sie, Haltung zu bewahren, würde man von ihrer jetzigen Machtposition auf die Vergangenheit schließen. Wer käme da nicht auf die Idee, sie für einen der damaligen Drahtzieher zu halten? Sowohl die eine als auch die andere Vorstellung hatte eine Säureattacke ihres Magens zur Folge.
Martin zurück in Deutschland – das war die schlimmste aller Möglichkeiten. Aber was war, wenn seine Wünsche viel banaler waren? Vielleicht wollte er sie bloß erpressen. Wenn sie Glück hatte, wollte er Geld.
»Ich brauch’ Patte«, hörte sie ihn sagen. Beim ersten Mal hatte sie ihn entgeistert angestarrt.
»Was, bitteschön?« Sie kannte den Ausdruck nicht. »Schotter, Mäuse, Knete!« Er hatte sich an ihrer Begriffsstutzigkeit geweidet. »Ohne Moos nix los!« Mit großem Unbehagen hatte sie ihm damals Geld geliehen und damit gerechnet, es nie wiederzusehen.
Dorothea spielte auch diese Variante durch. Was brauchte man in Südfrankreich schon zum Leben? Wenn er keine Unsummen verlangte, würde ihr das den Schlaf nicht rauben. Die Frage war nur, ob er sich damit zufriedengeben würde. Die meisten Erpresser wollen mehr, immer mehr. Das hieße, sie würde ihn nie loswerden. Und wenn dann doch irgendwann irgend jemand hinter die Geschichte käme…
»Also Sie haben von nichts gewußt«, hörte sie eine ölige Stimme sagen, die sie an die des Mannes erinnerte, der sie damals, vor mehr als zwanzig Jahren, verhört hatte. »Sie waren unschuldig.« Sie sah sich wie betäubt mit dem Kopf nicken, sah den anderen breit grinsen, bevor er die Falle zuschnappen ließ. »Und – warum haben Sie dann gezahlt?«
Dorothea fuhr wie in Trance über die baumbesäumte Landstraße, auf die grün und braun schimmernde Bergkette zu. Der Landkarte zufolge waren es noch knapp achtzig Kilometer bis Beaulieu. Die Straße stieg steil an und schraubte sich in engen Serpentinen in die Höhe. Immer, wenn es in ihrer Richtung auf zwei Spuren weiterging, wurde sie von ungeduldigen Autofahrern überholt; der eine in einem schwarzen Citroën machte eine obszöne Handbewegung, als er an ihr vorbeipreschte. Schuldbewußt gab sie Gas, um in der nächsten Kurve wieder abzubremsen. Ihr Kopf war mit anderem beschäftigt als mit Autofahren.
Was wollte Martin wirklich? Was konnte sie ihm gegebenenfalls entgegenhalten? Konnte sie ihm drohen? Ihn kaufen? Ihn überreden? Wie konnte sie ihn ruhigstellen?
Oben auf dem Paß fuhr sie auf einen Parkplatz mit Aussicht. Sie stieg aus und hielt das Gesicht in die heiße Sonne und den kühlen Wind. Hinter ihr, tief unten, lag das Rhônetal; am Horizont ballten sich dichte graue Wolkenbänke. Dort war der Regen, durch den sie noch vor kurzem gefahren war. Und vor ihr, da, wo sie hinwollte, lag eine Gartenlandschaft im Sonnenlicht, umringt von hohen Bergen, die sich beschützend über die grünen Matten und silbrigen Flüsse zu beugen schienen.
»Was immer er will – was willst eigentlich du ?« Irgendwann während der Fahrt hatte Dorothee Köppen die Regie übernommen. Und sie stellte die einzig wirklich wichtige Frage. Was Martin wollte, war sein Problem. Was aber wollte sie? Ihren Ruf retten? Ihn einschüchtern? Ihm helfen? Alte Wunden heilen?
Sie streckte sich und
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