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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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stieg. Wenn er ihr das antat, dann…
    Sie setzte sich kerzengerade auf. »Nicht, daß ich ein besonders großes Mitteilungsbedürfnis hätte, Manfred, du kennst mich ja.«
    Wenn er noch ein Fünkchen Humor hatte, dann würde er jetzt grinsen.
    »Aber es gibt hier einen Journalisten, der sich sehr für die Geschehnisse interessiert. Du kannst dir das ja vorstellen: Ein ganzes Dorf ist entsetzt, weil sich ein guter Nachbar als etwas anderes entpuppt – der plötzliche Tod eines ehemaligen deutschen Terroristen im französischen Exil ist natürlich erstklassiger Stoff für eine Reportage…«
    Sie hörte es am anderen Ende der Leitung leise lachen. Fröhlich klang es nicht.
    »Du gewinnst. Ich werde sehen, was ich herausfinden kann. Bis heute abend nach Dienstschluß.« Wenzel klang resigniert. »Ich tu mein Bestes.«

3
    L oulou stand in der Mitte des Platzes und brabbelte fröhlich vor sich hin. Er wiegte den Packen Papier in seinem Arm, als ob es das liebe Jesulein wäre. Bremer mußte an ihm vorbei auf dem Weg ins Café. Ein bißchen unheimlich war ihm der große Kindskopf schon.
    »Aaahhhh!« machte Loulou strahlend und hielt Paul eines der Flugblätter hin. Bremer hätte niemals gewagt, es nicht entgegenzunehmen.
    Vor dem Café waren die üblichen Verdächtigen versammelt, heute nicht so entspannt wie sonst. Die Männer standen im Halbkreis, leicht vornübergebeugt, als ob sie ein spannendes Fußballmatch betrachteten. Als Bremer näher kam, sah er in der Mitte des Kreises zwei Männer wie kampfbereite Bullen voreinander stehen, mit gesenkten Schädeln, die Fäuste geballt – Stammgast Marius und Axel, der Metzgerssohn.
    »Laß Loulou raus aus deinen schmutzigen Angelegenheiten!«
    Axel war blaß vor Wut. »Wenn du nachts die halbe Region mit deinen blöden Parolen verpesten willst – bitteschön! Aber Loulou…«
    Marius grinste breit und tänzelte ein paar Schritte zur Seite.
    Bremer guckte flüchtig auf das Blatt, das er noch immer in der Hand hielt, und dann auf die Linde an der Feierabendbank, dort, wo es hoch zur Kirche ging. An den Baum hatte jemand ein professionell aufgemachtes Plakat geheftet.
    »Wir wollen Sicherheit!« stand darauf, in großen, natürlich blutroten Lettern.
    Die gleiche Überschrift krönte das Flugblatt.
    »Beaulieu als Refugium für deutsche Terroristen – und was tut die Polizei?« lautete die Unterzeile. Der Text ging weiter mit einer Frage, die sich von selbst beantwortete: »Was ist das für ein Land, in dem illegal eingereiste Terroristen dem von der Polizei gegründeten Judoclub beitreten dürfen?«
    »Loulou tut das gern, Axel, das weißt du doch!« Marius lächelte milde.
    Unter den Umstehenden wurde Protestgemurmel laut.
    »Er weiß nicht, was er tut, du Idiot!«
    »Und was spricht dagegen, daß auch ein… daß auch ein Bursche wie Loulou seine patriotische Pflicht tut?«
    »Faschoscheiße!« rief einer aus der Menge.
    »Ich sage nur meine Meinung! Dies ist ein freies Land, oder?«
    Marius breitete die Arme aus und blickte in die Runde. Einige nickten.
    Bremer drehte sich um und ging ins Café. »Parteien«, erklärte Monsieur André, als ob er über Küchenschaben und ihre rückstandslose Vernichtung spräche. »Jeder versucht sein Süpplein zu kochen. Und Marius…« Er hob die Hände, um den bösen Zauber abzuwehren.
    Bremer nickte unverbindlich. Verbrechen sind immer gut für Demagogen, die Ordnung versprechen. Dann bestellte er einen Grand Crème.
    Es wehte ein lauer Wind, man hörte die versammelte Mannschaft draußen streiten. Er hatte Karen allein gelassen im Hotel, weil ihre Hilflosigkeit kaum noch auszuhalten war.
    »Warum läßt du dir keine Vollmacht erteilen?
    Schließlich ist der letzte Tote deutscher Staatsbürger, müssen dir die Franzosen da nicht Amtshilfe leisten?«
    Sie hatte ihn mitleidig angesehen. »Du meinst ein förmliches Rechtshilfeersuchen.«
    »Was auch immer.«
    »Erstens brauche ich dazu einen plausiblen Grund, zweitens die Unterstützung meiner Abteilung, und drittens muß ich präzise darlegen, mit welchen Beweismitteln ich ermitteln will. Dann geht der ganze Krempel an einen Rechtshilfesachbearbeiter, dann ans Landesjustizministerium, dann ans Außenministerium – übersetzt werden muß es auch…«
    Sie hatte sich zurückgelehnt auf dem Bett, von wo aus sie telefonierte, da die Schnur des unmodernen Telefons nur bis zum Nachttisch reichte, hatte mit beiden Händen in den Haufen vollgekritzelter Blätter gegriffen, die auf dem Bett

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