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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Quietschen der Bremsen, spürte den harten Griff, mit dem er sie zurückhielt. »Man guckt erst rechts, dann links, bevor man über die Straße geht«, sagte er ihr ins Ohr. Als sie sich umdrehte, sah sie ihn grinsen. Ihr war die feine Narbe in seiner Unterlippe aufgefallen. Und die Augen, die erst fast schwarz aussahen und im Licht der Herbstsonne bernsteinfarben schimmerten.
    »Mein schönster Zufall«, nannte er sie. Denn als ob sie sich verabredet hätten, liefen sie einander schon am nächsten Tag wieder in die Arme. Sie war auf dem Weg zum Zeitungskiosk gewesen. Und er? Sie wußte es nicht – wie so vieles, was sie nicht wußte von ihm.
    In ihrer Erinnerung leuchteten die Herbstfarben den ganzen Oktober über, waren selbst die ersten Herbststürme warm und erregend. Wie durch ein Wunder trafen sie nach der ersten Begegnung jeden Tag aufeinander: vor dem Kiosk, beim Blumenladen, im Kaffeegeschäft. Er wird sich nie mit mir verabreden, hatte sie schon gedacht. Alexa lächelte.
    Er hatte Zeit und Geduld. Sie war froh gewesen, daß er sie nicht in ein teures Restaurant einlud oder versuchte, Eindruck auf sie zu machen – auf einem Rummelplatz war sie seit Jahren nicht mehr gewesen. In der Achterbahn legte er den Arm um sie. Und nachdem er sie im Riesenrad geküßt hatte, als ihre Kabine ganz oben stand, warfen sie den ganzen Strauß Plastikrosen, den er ihr geschossen hatte, wie alberne Kinder hinunter.
    War sie glücklich gewesen? Wahrscheinlich. Er war da. Er blieb tagelang fort. Sie wußte nicht, wo er wohnte. Er rief nicht an. Er schickte Rosen, kaufte Champagner. Sie hatte keine rechte Vorstellung davon, womit er sein Geld verdiente. Er brachte ihr den Kaffee ans Bett morgens. Ließ dann wieder tagelang nichts von sich hören.
    Das war der Grund, warum du dich in ihn verlieben konntest, Dummchen, dachte sie. Er kam dir nicht zu nahe. Er kannte dich besser als du.
    Alexa drehte sich auf die Seite auf ihrem Lager aus Weinkartons. »Mein schönster Zufall.« War auch das ein Zufall, daß sie zu ihrem ersten gemeinsamen Urlaub an Ostern nach Beaulieu fuhren? Und war das wirklich ihre Idee, ins Maklerbüro zu gehen, oder vielleicht doch seine?
    Ich weiß nichts über dich, Ben, dachte sie.
    Du hast auch nie gefragt, hörte sie ihn spöttisch antworten. Du schaust nicht hin. Du läufst blind durchs Leben. Du willst viel zu viel nicht wissen. Dann schlief sie wieder ein. Der Traum, aus dem sie aufschreckte, war kurz und beängstigend. Sie sah einen Mann knien in der geöffneten Tür eines Flugzeugs. Sein weißes Hemd war aus der Hose gerutscht, die Ärmel hatte er hochgekrempelt, das Haar hing ihm ins Gesicht. Neben ihm stand ein Vermummter, er hatte eine schwarze Skimaske übers Gesicht gezogen, nur für Mund und Augen gab es Schlitze. Der Schwarze richtete eine Pistole auf den Mann.
    Und dann sah sie die Augen. Die Augen des schwarzen Mannes. Die Augen von Philipp Persson. Die Augen von Ben.
    Als die Kellertür mit einem berstenden Laut aufsprang und gegen die Wand knallte, schrie sie auf. Ein kalter Luftzug wehte hinein und das Tageslicht blendete sie.
    »Alexa! Um Himmels willen!«
    Der Mann war mit drei Schritten neben ihr, kniete sich hin und nahm sie in den Arm.
    »Wo warst du?« fragte sie mit zitternder Stimme. »Ich hatte einen Albtraum.«
    »Schscht«, machte er. »Beruhige dich.«
    Sie lehnte sich zurück, sah ihn an und seufzte tief auf.
    »Wir kriegen ein Kind, Ben.«

2
    E lisabeth! Ich habe jetzt schon dreimal angerufen, und…«
    »Moment!« Die Stimme klang ungeduldig. Offenbar hatte Elisabeth die Hand über das Mikrofon des Telefonhörers gelegt, aber Karen verstand sie trotzdem deutlich. »Sofort, Frau Dr. Kämpfer, ich muß nur erst…« Dann polterte der Hörer auf den Schreibtisch. Karen hörte Papier rascheln, das Geräusch, den der metallene Sicherheitsbügel macht, wenn man einen Aktenordner öffnet. Dann blättern, seufzen. Ein Feuerzeug klickte, jemand zog tief an einer frisch angezündeten Zigarette.
    »Elisabeth!« Karen hätte am liebsten ins Telefon gebrüllt.
    Immerhin wurde der Hörer wieder aufgenommen. »Sorry, Karen, ich hätte dich fast vergessen.« Elisabeth hatte ein Lächeln in der Stimme. Die Schlange, dachte Karen.
    »Du hast mich offenbar heute nicht das erste Mal vergessen.«
    »Ach, Karen, du weißt doch: Hier ist immer die Hölle los. Und dann kommen ausgerechnet die, die Urlaub machen, und haben es besonders eilig!«
    Karen merkte, daß ihr der subtile Boykott der

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