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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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Taxistand in einen Wagen und nenne ihm die Adresse, die Isabelle Wagner zu ihrer Handynummer auf die Rückseite ihrer Visitenkarte geschrieben hat. Während das Taxi durch die Nacht gleitet, überlege ich mir, wie ich das Gespräch mit ihr beginnen könnte. Vielleicht lässt sie mich auch überhaupt nicht in ihre Wohnung oder hat wieder Nachtdienst. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich mich ja überhaupt nicht vergewissert habe, ob Isabelle Wagner zuhause ist oder nicht. Aber dafür ist es jetzt zu spät, deshalb lasse ich es darauf ankommen.
    „Alle Frauen verschwanden in der Nähe der Ringstraße!“, höre ich plötzlich, wie aus weiter Ferne, die Stimme des Taxifahrers, der anscheinend schon die ganze Zeit über mit mir redet. „Der Killer hat sich als Taxifahrer ausgegeben und immer nur Frauen zwischen dreißig und vierzig Jahren in seinem Taxi mitgenommen. Jede Nacht so gegen zweiundzwanzig Uhr, wenn die Kinos und Theater zu Ende sind und Taxis gesucht werden. Da ist man nicht wählerisch. Hauptsache, man kann in ein Taxi steigen. Er hat Türen und Fenster so präpariert, dass sie sich von innen nicht mehr öffnen ließen. Einmal drinnen, nie mehr raus! Gefangen wie in einem Käfig.“ Der Fahrer lacht laut auf und beobachtet mich ständig im Rückspiegel. „Das ist doch eine geniale Idee. Er ist dann mit den Frauen in eine abgelegene Garage gefahren und zack! Dort hat er sie gekillt!“ Die passende Handbewegung des Fahrers lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Lauernd starrt er mich im Rückspiegel an. So als würde er nur auf eine passende Gelegenheit warten, um über mich herzufallen.
    „Tolle Geschichte!“, sage ich zu dem Taxifahrer, als ich in einer gesichtslosen Hochhaussiedlung am nördlichen Stadtrand von Wien aussteige. „Sind Sie dieser Ringstraßenkiller, den man nie gefasst hat?“
    „Dann hätte ich Sie doch schon längst umgebracht, Süße! Sie sind ja ganz meine Kragenweite!“, antwortet er genüsslich und schlägt sich vor Lachen mit seinen Händen auf die Oberschenkel.
    Die Gegend, in der Isabelle Wagner wohnt, ist trostlos, hoffnungslos und lässt den Bewohnern keine Chance. Die Wohnblöcke sind riesig und außer einem Laden für gebrauchte Handys, einer Spielhalle, einem Diskont-Supermarkt und einem türkischen Lebensmittelladen gibt es keine Geschäfte mehr hier. Alles ist verbarrikadiert und sieht aus, als wäre ich in einem Kriegsgebiet gelandet. Die einzelnen Wohnblöcke sind mit Betonbrücken untereinander verbunden, die mit verschiedenen Farben bemalt sind, um den Bewohnern die Orientierung zu erleichtern. Vor Block 3B bleibe ich stehen, hier bin ich richtig. Ich drücke die Klingel, warte, nichts rührt sich. Sie wird noch nicht zuhause sein. Also was tun? Soll ich wieder zurück in meinen Hafen und mich in meinem Bett verkriechen? Oder hier auf sie warten? Ich entscheide mich fürs Warten und setze mich mit meiner Kamera auf eine wackelige Plastikbank, die neben zwei überquellenden Mülltonnen steht. Während ich mit zurückgebeugtem Kopf die Sterne betrachte, kommt mir die ganze Situation ziemlich albern vor. Was werde ich zu Isabelle Wagner sagen? Dass alles nur in meiner Einbildung existiert und ich leider mit meinen Verrücktheiten ihre Karriere ruiniert habe? Vielleicht sollte ich die ganze Angelegenheit auf sich beruhen lassen und mich wieder nach Hause verziehen.
    Doch dann kommt Isabelle Wagner. Ich erkenne sie schon von Weitem: Die gebückte Haltung, der schleppende Gang, sie sieht ziemlich fertig aus. Sie trägt keine Uniform, sondern eine altmodische schwarze Hose und ein buntes T-Shirt. In den Händen hält sie zwei schwere Einkaufstüten aus dem Supermarkt. Mit meiner Kamera schieße ich eine Serie der erschöpften Isabelle Wagner auf ihrem Weg von der Straße bis zur Eingangstür. Als ich aufstehen will, um sie zu begrüßen, habe ich plötzlich diesen Geruch von Verwesung in der Nase. Es ist ein Gestank, der mich wieder an meine Halluzinationen erinnert und der mir die Luft abschnürt.
    Ganz vorsichtig drehe ich mich um und hebe die Kamera. Talvin hockt auf einer der Mülltonnen und deutet auf seine Brust, die nur noch eine große klaffende Wunde ist.
    „Willst du kein Foto von mir machen?“, fragt er mit seiner singenden Stimme, die mich so an exotische Landschaften und den Ozean erinnert.
    „Es gibt dich nicht mehr! Es ist alles nur Einbildung, so wie bei Björn!“, antworte ich in die Stille der Nacht.
    „Du weißt, dass es anders ist als

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