Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
hergestellt. Die Chinesen beherrschen diese Technik hervorragend, sie unterwerfen ihren Körper ihrem Willen für den letzten Schliff. Sie erlernen die verschiedenen Stile der Ölmalerei und produzieren in großen Werkstätten holländische, englische oder provenzalische Landschaften für den Westen. Mehrere Bilder gleichzeitig. Sie malen besser und schneller als unsere Sonntagsmaler, und zusammengerollt kommen die Bilder dann in Containern per Schiff hier an.
Diese Bilder sind faszinierend: ihre Hässlichkeit fällt auf niemanden zurück, weder auf jene, die sie malen, noch auf jene, die sie betrachten. Das ist erholsam für alle. Ich war mein ganzes Leben lang viel zu präsent, habe mich zu sehr verausgabt, davon habe ich inzwischen genug.
Das chinesische Denken tut mir gut; ihre Gleichgültigkeit ist für mich wie eine Therapie. Mein ganzes Leben lang habe ich mich ihrem Ideal angenähert, obwohl ich nie in China gewesen bin. Ich habe das Land nur einmal aus der Ferne gesehen, und zwar waren es die Hügel gegenüber, auf der anderen Seite eines Flusses, dessen Brücke wir gesprengt hatten. Mehrere Molotow-Lastwagen brannten, und hinter den rauchenden Fahrzeugen sah ich steile, mit Kiefern bedeckte Hänge zwischen vorüberziehenden Wolken, genau wie in der chinesischen Malerei. Aber an jenem Tag verdarb leider der Rauch des brennenden Benzins den Anblick, denn die Wolken waren viel zu schwarz. Ich habe mir gesagt: Ist das etwa China? Es ist nur ein paar Schritte entfernt und ich kann nicht hingehen, weil ich die Brücke gesprengt habe. Doch dann habe ich keine Minute verloren, denn wir mussten schleunigst weg. Wir sind mehrere Tage lang gerannt. Ein Typ, der bei mir war, ist bei der Ankunft vor Erschöpfung tot umgefallen. Er war tatsächlich tot; wir haben ihn mit militärischen Ehren begraben.«
»Stellen Sie Ihre Gemälde nicht aus?«
»Ich hänge mir nichts von dem an die Wand, was ich selbst gemalt habe. Das ist vorbei. Was von diesen Momenten noch übrig ist, fällt mir zur Last.«
»Haben Sie nie daran gedacht, auszustellen, zu verkaufen und Maler zu werden?«
»Ich habe das gezeichnet, was ich sah, damit Euridice es sehen konnte. Sobald sie sie gesehen hatte, war die Zeichnung für mich uninteressant.«
Im Wohnzimmer erwarteten uns zwei Typen; als ich sah, wie sie sich auf dem Sofa räkelten, widerte mich die absurde Dekoration erneut an. Wie konnten sie bloß in dieser gekünstelten Umgebung leben, er und sie? Wie konnten sie in dieser Fernsehserienkulisse wie aus bemaltem Styropor leben? Es sei denn, sie wollen nichts mehr wissen, nichts mehr sagen, und zwar nie mehr.
Aber diese durchtriebene Banalität war nichts im Vergleich zu der körperlichen Gewalt, die diese beiden Typen ausstrahlten. Sie lümmelten sich auf dem Sofa wie zwei alte Bekannte, die sich so aufführten, als seien sie hier zu Hause. Vor dem Hintergrund dieser abgeschmackten Einrichtung und dieser grässlichen Tapeten wirkten sie wie zwei Erwachsene in dem Mobiliar einer Grundschule. Sie wussten nicht wohin mit ihren Beinen, die Sitze drohten unter ihrem Gewicht zusammenzubrechen.
Der Ältere glich Salagnon, bis auf die Tatsache, dass er dicker war und dass seine Züge trotz der Energie, die er in seine Bewegungen legte, allmählich abschlafften. Ich konnte seine Augen kaum ausmachen, da er eine goldumrandete dunkle Brille trug. Hinter den großen grünlichen Gläsern gingen seine Augen hin und her wie Fische in einem Aquarium, und ich hatte Mühe, ihren Ausdruck hinter den Spiegelungen zu erkennen. Seine ganze Aufmachung wirkte seltsam: eine weite karierte Jacke, ein Hemd mit zu breitem Kragen, eine goldene Kette um den Hals, eine Hose mit weitem Schlag und zu glänzende Mokassins. Alles an ihm erinnerte an die auffällige Eleganz von vor über dreißig Jahren in Farben, die völlig aus der Mode gekommen waren, man hatte wirklich den Eindruck, ein Phantombild auftauchen zu sehen. Nur die Verformung des Sofas unter der Last seines Hinterns war der Beweis für seine Gegenwart.
Der andere war höchstens dreißig und trug eine Lederjacke, aus der ein leichter Bauch hervorlugte, sein runder, kahl geschorener Schädel ruhte auf einem breiten Hals, der sich unter dem Kinn in Falten legte, wenn er den Kopf sinken ließ, und wenn er ihn hob, im Nacken.
Salagnon stellte uns mit knappen Worten gegenseitig vor. Mariani, ein alter Freund; und einer seiner jungen Typen. Ich, sein Schüler; sein Schüler in der Kunst des Pinselstrichs. Das
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