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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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brachte den Typen mit der Jacke von 1972 laut zum Lachen.
    »Die Kunst des Pinselstrichs! Noch immer mit deinem weibischen Kram beschäftigt, Salagnon! Sticken und stricken, damit füllst du deine Zeit im Ruhestand, anstatt zu uns zu stoßen!«
    Er lachte sehr laut, als fände er das wirklich witzig, und sein junger Typ lachte ebenfalls, aber viel hämischer. Salagnon brachte vier Flaschen Bier und Gläser, und Mariani tätschelte ihm im Vorübergehen den Hintern.
    »Was für eine hübsche Kammerzofe! Schon im Feld stand er vor den anderen auf und kochte für uns Kaffee. Er hat sich nicht geändert.«
    Marianis junger Typ lachte noch einmal, schnappte sich ein Bier, verzichtete ostentativ auf das Glas und trank direkt aus der Flasche. Er setzte zu einem männlichen Rülpser an und blickte mir dabei fest in die Augen, doch die beiden alten Herren warfen ihm vernichtende Blicke zu, sodass er ihn hinunterschluckte und eine Entschuldigung murmelte. Salagnon schenkte uns mit der höflichen Gleichgültigkeit des Hausherrn in einer mir peinlichen Stille ein.
    »Seien Sie unbesorgt«, sagte Mariani schließlich zu mir. »Ich ziehe ihn schon seit fünfzig Jahren auf. Das sind nur kleine Scherze unter uns, wie er sie nie von jemand anderem dulden würde. Aber er ist so nett und lässt sich nicht die Laune verderben, wenn ich mich meinem natürlichen Hang zu Dummheiten überlasse. Er hat für mich die Nachsicht, die man Überlebenden gewährt.«
    »Außerdem habe ich ein paar Jahrhunderte Vorsprung auf dem Gebiet der Entgleisungen«, fügte Salagnon hinzu. »Er hat mich durch den Wald geschleppt. Und er hat mir beim Tragen derartige Schmerzen zugefügt, dass ich ihn in der ganzen Zeit, in der ich nicht bewusstlos war, mit Schimpfworten überhäuft habe.«
    »Hauptmann Salagnon hat wirklich Talent. Ich verstehe nichts davon, aber er hat eines Nachts, zu einer anderen Zeit, in einem anderen Land, ein Porträt von mir angefertigt, als wir gemeinsam wach geblieben waren; und dieses Porträt hat er in ein paar Sekunden auf eine Seite in ein Heft gezeichnet, die er herausgerissen und mir gegeben hat, es ist das einzige Bild von mir, das der Wahrheit entspricht. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber so ist es. Vielleicht weiß er das selbst nicht. Und wenn ich mich über sein Talent als Maler lustig mache, dann nur, um meinen Rückstand aufzuholen und mich für die hundsgemeinen Beleidigungen zu rächen, mit denen er mich damals im Wald bombardiert hat. Ich habe nicht den geringsten Zweifel an der Charakterstärke meines Freundes Salagnon, die hat er oft genug bewiesen. Und sein Maltalent ist bloß etwas Seltsames in den Kreisen, in denen wir zu jener Zeit gemeinsam verkehrt haben, und wo Kunst nicht gerade auf der Tagesordnung stand. Etwa so, als hätte er blonde Locken gehabt, während alle anderen einen glatt rasierten Schädel hatten. Er kann nichts dafür, und das ändert nichts an seiner Seelenstärke.«
    Salagnon saß da, trank Bier aus einem Glas und sagte nichts. Er hatte seine knochige Maske wieder aufgesetzt, die Angst einflößen konnte und nicht mehr erkennen ließ als ein zerknittertes Blatt Papier: kein einziges Zeichen auf dem gut erhaltenen Weiß. Aber ich sah auf seinen dünnen Lippen eine kaum wahrnehmbare Bewegung; ich spürte, wie sie vom Hauch eines Lächeln gestreift wurden, und so wie der Schatten einer Wolke über den Boden gleitet, ohne etwas zu stören, sah ich das nachsichtige Lächeln von jemandem, der etwas unwidersprochen lässt, wie einen Schatten über sein Fleisch gleiten. Ich konnte es erkennen, da ich selbst die geringste seiner Bewegungen kannte. Ich hatte all seine Zeichnungen, die er mir zu zeigen bereit gewesen war, genau beobachtet, bis sie vor meinen Augen verschwammen. Und daher kannte ich jede seiner Bewegungen, denn die Tuschmalerei besteht nicht nur aus Tusche, sondern vor allem aus durch Gesten zu Papier gebrachten inneren Regungen. Und all die fand ich auf seinem Gesicht wieder.
    »Wir hatten alle die größte Achtung vor Salagnon; damals in Indochina.«
    Marianis junger Typ wurde unruhig und drehte seine Flasche im Kreis. Die alten Herren wandten sich ihm gleichzeitig mit dem gleichen Lächeln auf ihren faltigen Lippen zu. Sie nahmen die gerührte Miene von jemandem an, der zusieht, wie sich ein junger Hund im Schlaf bewegt und durch leichte Pfotenschläge und das Beben des Rückens die Jagdszenen erraten lässt, die er im Traum erlebt.
    »Tja, mein Kleiner! Indochina!«, rief Mariani

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