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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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findet. Und während er aufs Geratewohl durch die Welt irrt, wird sein Vaterland von finsteren Machenschaften, berechnender Habgier und plündernden Horden heimgesucht. Als er schließlich heimkehrt, nutzt er die athletische Dynamik des Krieges, um aufzuräumen. Er schafft sich unliebsame Gegner vom Halse, macht reinen Tisch und sorgt für Ordnung.
    Dieses Buch habe ich stückweise gelesen, in Regionen, die Homer nicht kannte. Im schneebedeckten Elsass im Schein eines Feuerzeugs, um nicht einzuschlafen, denn in dieser Kälte einzuschlafen, hätte den Tod bedeutet; nachts in Afrika in einer Hütte aus geflochtenem Stroh, dort hingegen hätte ich gern geschlafen, aber es war so heiß, dass man am liebsten noch die Haut abgestreift hätte; ich habe es auf dem Zwischendeck eines Truppentransporters gelesen, an meine Kiste gelehnt, um mich nicht übergeben zu müssen; in einem Bunker aus Palmenstämmen, die bei jedem Granateneinschlag zitterten, wobei jedes Mal ein bisschen Erde auf die Seiten rieselte und die an der Decke hängende Lampe hin und her schwang, sodass die Zeilen vor meinen Augen verschwammen. Die Anstrengung, die ich machen musste, um Zeile für Zeile zu lesen, tat mir gut, diese Anstrengung fesselte meine Aufmerksamkeit, sodass ich die Angst vor dem Tod vergaß. Wie es scheint, kannten die Griechen dieses Buch auswendig, es zu lernen, war ein wesentlicher Bestandteil ihrer Ausbildung; bei jedem Anlass konnten sie ein paar Verse oder einen ganzen Gesang daraus aufsagen. Und daher lerne auch ich es, ich habe den Ehrgeiz, es ganz auswendig zu können, das ist dann meine ganze Bildung.«
    In dem kleinen Zimmer, in dem kaum Platz war, stand die Kiste, über die sie sprachen, am Fußende des Betts vor dem Stuhl, sie stand zwischen ihnen, und deshalb konnte Salagnon die Beine nicht ausstrecken. Die grüne Metallkiste bekam immer größere Bedeutung, je länger sie über sie sprachen. »Öffne sie.« Sie war halb leer. Ein sorgfältig gefalteter Stoffkupon bedeckte den Inhalt. »Heb ihn hoch.« Darunter lag eine broschierte Ausgabe des Buches über Odysseus, das schon begann, seine Seiten zu verlieren. Ein anderer straff gefalteter roter Stoffkupon diente dem Buch als Kissen. »Ich schütze es so gut es geht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein anderes Exemplar im nördlichen Tonkin finde.« Darunter lagen ein paar Kleidungsstücke, eine Pistole in einem Lederetui und Toilettenartikel. »Entfalte die beiden Stoffe.« Salagnon entfaltete zwei recht große Fahnen, die beide leuchtend rot waren. Auf der einen war in der Mitte ein weißer Kreis mit einem Hakenkreuz, dessen verblichene Farbe allmählich blau wurde, und auf der anderen ein fünfzackiger goldener Stern.
    »Die Nazifahne habe ich in Deutschland mitgenommen, ganz kurz vor Kriegsende. Sie flatterte an der Funkantenne eines Offizierswagens. Der Mann hat sie bis zum Schluss zur Schau gestellt, an der Spitze einer Panzerkolonne, die wir angehalten haben. Der Offizier versuchte nicht sich zu schützen, er fuhr aufrecht sitzend in seinem Kübelwagen vor den Panzern her, die ihm in regelmäßigen Abständen in einer Reihe folgten. Sie hatten offensichtlich vor, so lange zu fahren, bis sie keinen Treibstoff mehr hatten, und da sie keinen neuen mehr bekommen würden, wäre ihr Krieg damit zu Ende. Der Mann war an seiner Schirmmütze deutlich als Offizier zu erkennen, und er trug eine gut gebügelte, gestopfte, aber saubere Uniformjacke. Er hatte sein Eisernes Kreuz blank gescheuert und trug es um den Hals. Er fiel als Erster, er durfte seine Arroganz mit rübernehmen. Die Panzer mussten wir einzeln außer Gefecht setzen. Die Insassen des letzten haben sich ergeben, aber nur die. Es gab niemanden mehr, der sie sah, und daher konnten sie es tun. Meine Kameraden wollten die Fahne des Offiziersfahrzeugs verbrennen, aber ich habe sie behalten.«
    »Und die andere? Die mit dem goldenen Stern? So eine habe ich noch nie gesehen.«
    »Die stammt aus Indochina. Die Vietminh hatten eine Fahne nach dem Vorbild der Kommunisten geschaffen, mit Rot und gelben Symbolen. Die hab ich mir genommen, als wir Hanoi zurückerobert haben. Sie warteten darauf, dass wir wiederkommen würden und hatten sich verschanzt. Sie hatten Gräben quer über die Straßen ausgehoben, mannstiefe Löcher in den Rasen gegraben, sie hatten die Bäume abgesägt und Barrikaden errichtet. Sie hatten Fahnen genäht, um zu zeigen, wer sie waren, manche aus Baumwolle und andere aus der prächtigen Seide, aus

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