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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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die geringste Spur. Und dann stehst du blöd vor dem im Schlamm liegenden Mann, unter einem Himmel, der für uns zu groß ist. Und dann müssen wir ihn tragen. Er scheint von ganz allein gefallen zu sein, mit einem Schlag, und der dumpfe Knall, den wir gehört haben, ehe er umfiel, dürfte der Riss des Fadens gewesen sein, der ihn aufrecht gehalten hatte. Denn wir marschieren durch das Delta wie Marionetten, unsere Silhouetten zeichnen sich deutlich gegen den Himmel ab, all unsere Bewegungen sind schwerfällig und vorhersehbar. Es ist, als hätten wir nur noch Glieder aus Holz; die Hitze, der Schweiß, die ungeheure Müdigkeit lassen uns unempfindlich und stumpfsinnig werden. Die Bauern sehen zu, wie wir vorübergehen, und ändern nichts an ihrem Gebaren. Sie hocken sich auf die Böschungen, die ihre Dörfer umgeben, um was weiß ich zu tun, oder sie beugen sich über diesen Schlamm, in dem sie mit primitiven Werkzeugen ihren Reis anbauen. Sie bewegen sich fast nicht. Sie sagen nichts, sie flüchten nicht, sehen nur zu, wie wir vorübergehen; und dann bücken sie sich wieder und machen mit ihrer armseligen Beschäftigung weiter, als sei ihre Tätigkeit die Ewigkeit wert und wir nichts, als seien sie für alle Zeiten da und wir trotz unserer Langsamkeit nur vorübergehend.
    Die Kinder bewegen sich mehr, sie rennen auf den kleinen Dämmen hinter uns her und stoßen Schreie aus, die viel schriller sind als die der Kinder hier. Aber auch sie können unbeweglich bleiben. Sie liegen oft auf dem Rücken eines schwarzen Büffels, während sich dieser ein paar Schritte voran bewegt, weidet oder in den Bächen trinkt, ohne zu bemerken, dass er ein schlafendes Kind transportiert.
    Wir wissen, dass sie alle den Vietminh Auskunft geben. Sie liefern ihnen Hinweise über unsere Positionen, unsere Ausrüstung und unsere Anzahl. Und manche von ihnen sind sogar Partisanen, die Uniform der lokalen Vietminh-Milizen ist die schwarze Tracht der Reisbauern. Sie rollen ihr Gewehr und ein paar Kugeln in ein Stück geteertes Leinen und vergraben es im Reisfeld. Sie wissen, wo es ist, und wir finden es nicht; und wenn wir vorübergegangen sind, holen sie es wieder raus. Andere, und vor allem Kinder, lösen aus der Ferne Minen aus, es handelt sich um mit einem Faden verbundene Granaten, die an einem in den Schlamm gerammten Pfahl, einem Baum auf dem Damm oder einem Busch befestigt sind. Und wenn wir vorübergehen, ziehen sie an dem Faden und die Granate explodiert. Daher haben wir es gelernt, Kinder von uns fernzuhalten und ein paar Schüsse in ihre Nähe abzugeben, damit sie sich uns nicht nähern. Wir haben vor allem gelernt, uns vor den Kindern in Acht zu nehmen, die auf dem Rücken eines schwarzen Büffels zu schlafen scheinen. Der Faden, den sie in der Hand halten, und der in den Schlamm führt, kann die Leine des Tiers oder der Auslöser einer Mine sein. Wir schießen vor ihre Füße, damit sie sich entfernen und manchmal töten wir den Büffel mit dem Maschinengewehr. Wenn irgendwo ein Schuss abgegeben wird, schnappen wir uns alle, die auf dem Reisfeld arbeiten. Dann riechen wir an ihren Fingern, entblößen ihre Schulter, und jene, die nach Pulver riechen oder einen blauen Fleck vom Rückschlag haben, haben nichts zu lachen. Vor den Dörfern beschießen wir mit dem Maschinengewehr die Büsche, ehe wir uns nähern. Und wenn sich nichts mehr rührt, betreten wir das Dorf. Die Leute sind geflohen, sie haben Angst vor uns. Und außerdem haben die Vietminh sie zum Fliehen aufgefordert.
    Die Dörfer sind wie Inseln. Fast gänzlich trockene Inseln auf kleinen Erdwällen, mit einer Wand aus Bäumen umschlossene Behausungen, von draußen sieht man nichts. Der Boden in den Dörfern ist fest, man sinkt nicht ein. Vor den Häusern kann man praktisch trockenen Fußes gehen. Manchmal sehen wir Leute, aber sie sagen kein Wort zu uns. Das macht uns meistens rasend vor Wut. Nicht ihr Schweigen, sondern die Tatsache, dass wir uns auf dem Trockenen befinden. Dass wir endlich etwas sehen. Dass wir endlich ein wenig Erde spüren, die uns nicht aus den Händen gleitet. Als könnten wir im Dorf handeln und als wäre das Handeln eine Reaktion auf die Auflösung, auf das Versinken, auf die Ohnmacht. Wir handeln mit großer Strenge, sobald wir handeln können. Wir haben ganze Dörfer zerstört. Wir besitzen die nötige Macht, um das zu tun: Das ist sogar das Zeichen für unsere Macht.
    Zum Glück unterstützt uns die moderne Technik. Wir haben Funkgeräte, mit

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