Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
denen wir untereinander in Kontakt bleiben; Flugzeuge, die über uns her brummen, vereinzelte, verletzliche Flugzeuge, die aber von dort oben viel besser sehen als wir, die wir unten am Boden kleben; und Amphibienpanzer, die genauso gut durch Wasser und Schlamm fahren wie auf der Straße und von denen wir uns manchmal mitnehmen lassen, zusammengepfercht auf ihrer sengend heißen Panzerung. Die Technik rettet uns. Ohne sie würden wir im Schlamm versinken und von den Wurzeln der Reispflanzen verschlungen werden.
Indochina ist wie Mars oder Neptun, ein Land, das nichts mit dem gemein hat, was wir kennen, und in dem man sehr leicht sterben kann. Aber manchmal gewährt es uns auch einen Lichtblick. Man fasst in einem Dorf Fuß, und ausnahmsweise beschießen wir mal nichts. Mitten im Dorf steht eine Pagode, das einzige Gebäude in Massivbauweise. Oft dienen die Pagoden als Bunker in den Schlachten gegen die Vietminh; uns oder ihnen. Doch hin und wieder betritt man friedlich den fast kühlen Schatten, und sobald sich drinnen die Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben, sieht man nur noch dunkelrote Farben, Holztöne, Goldverzierungen und Dutzende von kleinen Flammen. Ein vergoldeter Buddha glänzt im Halbdunkel, das zitternde Licht der Kerzen umgibt ihn wie klares Wasser und verleiht ihm eine leuchtende, bebende Haut. Mit geschlossenen Augen hat er die Hand erhoben, und diese Geste tut uns wahnsinnig gut. Man atmet auf. In große orangefarbene Laken gehüllte Mönche hocken auf dem Boden. Sie murmeln etwas, schlagen auf Gongs, verbrennen Weihrauch. Man möchte sich den Schädel rasieren, in ein Laken hüllen und dort bleiben. Wenn man in die Sonne zurückkehrt und wieder durch den Schlamm des Deltas stapft, würde man beim ersten Schritt am liebsten weinen.
Die Typen dort reden nicht mit uns. Sie sind kleiner als wir, hocken oft am Boden, und die Höflichkeit verbietet es ihnen, jemandem ins Gesicht zu sehen. Und daher begegnen sich unsere Blicke nie. Wenn sie reden, dann in einer schreienden Sprache, die wir nicht verstehen. Ich habe den Eindruck, Marsmenschen zu begegnen; und einige von ihnen zu bekämpfen, die ich aber von den anderen unterscheiden kann. Manchmal reden sie mit uns: Bauern in einem Dorf, Stadtbewohner, die genauso lange zur Schule gegangen sind wie wir, oder Soldaten, die auf unserer Seite kämpfen. Wenn sie auf Französisch mit uns reden, sind wir zutiefst erleichtert und können all das verdrängen, was wir dort jeden Tag erleben und begehen; nach wenigen Worten glauben wir, wir könnten die Gräueltaten vergessen und nie wieder mit ihnen konfrontiert werden. Dann betrachten wir ihre Frauen, die schön wie Palmen sind, schön wie im Wind wehende weiche Tücher. Und wir träumen von der Möglichkeit, dort zu leben. Manche von uns tun das. Sie lassen sich in den Bergen nieder, wo die Luft frischer und der Krieg nicht so gegenwärtig ist. Im Morgenlicht schweben diese Berge über einem Meer aus leuchtendem Nebel. Und dann können wir von der Ewigkeit träumen.
In Indochina erleben wir die schrecklichsten Dinge und die größte Schönheit; die unangenehmste Kälte in den Bergen und die Hitze zweitausend Meter tiefer; wir leiden unter der totalen Dürre auf den Kalkfelsen und unter der totalen Feuchtigkeit in den Sümpfen des Deltas; Tag und Nacht die ständige Angst vor Angriffen, und eine unglaubliche Ruhe angesichts gewisser Schönheiten, die wir auf der Erde nicht für möglich gehalten hätten; wir sind zwischen Niedergeschlagenheit und Begeisterung hin und her gerissen. Das ist eine sehr schwere Schicksalsprüfung, wir sind gegensätzlichen Extremen ausgesetzt, und ich habe Angst, wir könnten spalten wie Holz es tut, wenn man es solchen Prüfungen unterzieht. Ich weiß nicht, in welchem Zustand wir danach sein werden; zumindest jene, die nicht sterben, denn dort stirbt man sehr schnell.«
Er hatte die Hände noch im Nacken verschränkt und blickte an die Decke.
»Es ist wahnsinnig, wie schnell man dort stirbt«, flüsterte er. »Ich habe kaum Zeit, die Typen, die dort ankommen, denn es kommen immer noch Schiffe mit Soldaten aus Frankreich an, kennenzulernen; sie sterben und ich bleibe am Leben. Es ist wahnsinnig, wie leicht man dort stirbt; sie schlachten uns ab wie Fische.«
»Und sie?«
»Wer? Die Vietminh? Das sind Marsmenschen. Wir töten sie auch, aber wie sie sterben, wissen wir nicht. Immer versteckt, immer entwischt, niemals anwesend. Und falls wir sie sehen sollten, würden wir sie
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