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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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schnell, der Himmel ist von makellosem sanftem Blau, eine deutlich umrissene Wolkenbank schwebt weit im Norden über dem Horizont, über Spanien oder Frankreich.
    Junge Leute in offenen Hemden über der Badehose kommen an den von Felsen umgebenen Strand und setzen sich vor das Meer. Sie bringen ein Handtuch und eine Badetasche mit und setzen sich in den Sand oder an eine der schnell errichteten Buden am Strand: ein Betonvordach, eine Theke und ein paar Sitze, das ist alles. Hier lebt man draußen, zieht nur das Nötigste an, knabbert ein paar pikante Sachen und trinkt dazu ein Gläschen, und dann wird geredet, viel geredet, gemeinsam im Sand.
    Euridice saß auf einem weißen Handtuch inmitten einer Gruppe junger Männer, die gelenkig und gebräunt, eloquent und witzig waren. Als sie Victorien sah, stand sie auf und lief mit unsicheren Schritten auf ihn zu, denn der Sand war nicht sehr fest; sie lief so gut es ging bis zu ihm hin, warf ihm die gebräunten Arme um den Hals und küsste ihn. Dann zog sie ihn hinter sich her und stellte ihn den anderen vor, die ihn mit überraschender Begeisterung begrüßten. Sie bestürmten ihn mit Fragen, bezogen ihn in ihre Scherze ein, legten ihm die Hand auf den Arm oder die Schulter, um sich an ihn zu wenden, als kennten sie sich seit jeher. Sie lachten sehr laut, redeten schnell, gerieten schnell in Rage und lachten dann wieder. Salagnon wurde bald abgehängt. Er enttäuschte sie schnell, war nicht lebhaft genug; er war ihnen nicht gewachsen.
    Euridice lachte gemeinsam mit ihren Freunden, die ihr spielerisch den Hof machten. Als die Sonne gleißender wurde, setzte sie eine Sonnenbrille auf, die ihre Augen verbarg, man sah nur mehr ihre scherzenden Lippen. Sie wandte sich dem einen oder dem anderen zu, und dabei rollte ihr das offene Haar über die Schultern, das all ihren Bewegungen ein wenig verzögert folgte; mit jedem einzelnen Lachen bekräftigte sie ihre Herrschaft über eine Schar von Affen. Salagnon zog ein mürrisches Gesicht. Er nahm nicht mehr an der Unterhaltung teil, blickte in die Ferne und sagte sich, dass er lieber die wellige Wolkenlinie zeichnen würde, die über dem schnurgeraden Horizont schwebte. Sein Talent meldete sich wieder mit einem Kribbeln in den Händen; er blieb stumm. Und plötzlich begann er Algier zu hassen, obwohl er die gutmütige Eloquenz von Salomon Kaloyannis so geliebt hatte; Algier und die Algerienfranzosen, die zu schnell eine Sprache sprachen, die nicht mehr die seine war, eine zu flüssige Sprache, der er nicht folgen und an der er nicht teilhaben konnte. Sie hüpften gleichsam spöttisch und grausam um ihn herum und hoben dabei rings um Euridice einen unüberwindbaren Graben aus.
    Schließlich stiegen sie auf zwischen den Felsen eingelassenen Betonstufen wieder zur Stadt hinauf. Die jungen Männer trennten sich von ihnen, drückten Euridice einen Kuss auf die Wange, schüttelten Victorien mit deutlich geringerer Begeisterung die Hand als zu Beginn, er glaubte sogar eine gewisse Ironie wahrzunehmen. Euridice und er gingen gemeinsam, Schulter an Schulter, durch die schmalen Straßen zum Haus ihres Vaters zurück, doch es war zu spät. Sie blickten sich manchmal ein wenig verlegen an, doch die meiste Zeit blickten sie geradeaus. Auf dem Weg, der ihnen lang vorkam – die dichte Menge hinderte die beiden daran, schneller zu gehen –, tauschten sie zögernd ein paar Gemeinplätze aus. Das Abendessen mit Salomon fand in drückender Atmosphäre von übertriebener Höflichkeit statt. Euridice war müde und ging sehr früh schlafen.
    »Victorien, was hast du jetzt vor?«
    »Ich glaube, ich fahre heim. Vielleicht gehe ich wieder zum Militär.«
    »Der Krieg ist zu Ende, Victorien. Das Leben beginnt wieder neu. Wozu brauchen wir heute noch Musketiere? Sieh zu, dass du Geld verdienst, tu was Sinnvolles. Euridice braucht keinen Säbelhelden, diese Zeiten sind vorüber. Komm wieder, wenn aus dir etwas geworden ist. Die Typen hier sind nur Schwätzer, aber du bist noch gar nichts. Stürz dich ins Leben und komm dann wieder.«
    Am nächsten Tag nahm er das Schiff nach Marseille. Auf dem Achterdeck begann er Euridice zu schreiben. Die Küste von Algier wurde immer kleiner, er zeichnete sie. Die helle Sonne ließ die Schatten scharf hervortreten und versah die Kasbah mit Zähnen. Er zeichnete kleine Einzelheiten des Schiffs, den Schornstein, das Schanzkleid, die auf die Reling gelehnten Menschen, die das Meer betrachteten. Er zeichnete mit Tusche auf

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