Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Situation, in der man lebt, möchte man letztlich mit Gewalt vereinfachen. Einen Feind zu haben, ist das höchste Gut, er ist uns eine Stütze. In den Wäldern von Tonkin suchten wir den Feind, um endlich kämpfen zu können.
Das Modell für die Lösung aller Probleme ist die Ohrfeige, die man einem Kind gibt, oder der Fußtritt, den man einem Hund versetzt. Das erleichtert. Jeder träumt davon, einen Störenfried mit Gewalt zur Vernunft zu bringen, wie einen Hund oder ein Kind. Wer nicht tut, was man ihm sagt, den muss man mit Gewalt zurechtweisen. Nur diese Sprache versteht er. Der gesunde Menschenverstand, der in der Ohrfeige zum Ausdruck kommt, ist die prägnanteste soziale Handlung, und dieses Modell herrschte damals in Bab el-Oued. Doch es ist zusammengebrochen, weil man Menschen nicht regieren kann wie Hunde. Es ist tragisch zu vergessen, dass wir am Ende verloren haben; es ist tragisch und dumm zu glauben, dass wir mit ein bisschen mehr Gewalt gewonnen hätten. Mariani und seine jungen Typen sind die untröstlichen Waisen dieser Politik, es ist tragisch, dass wir sie ernst nehmen, denn ihr Ernst steckt uns an. Sie zwingen uns, von ihren Gespenstern zu reden, und auf diese Weise lassen wir sie wieder auftauchen und weiterbestehen.
Ich verstehe Euridices Wut. Wenn sie Mariani sieht, möchte sie ihm am liebsten einen Pfahl ins Herz rammen, damit er nie wiederkommt und mit all den Gespenstern verschwindet, die ihn begleiten. Wenn er zu uns kommt, holt uns die Vergangenheit wieder ein, und dabei bemühen wir uns die ganze Zeit, nicht mehr daran zu denken. Ich verstehe Euridices Wut, aber Mariani hat mich durch den Wald getragen.«
»Reicht das? Das ist nicht viel.«
»Wo findet man schon mehr? Freundschaft entsteht durch eine einzige Geste, sie ist auf einen Schlag da, und anschließend läuft die Sache von selbst; sie ändert nicht die Richtung, es sei denn, eine starke Erschütterung lässt sie abweichen. Der Typ, der dir zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Schulter geklopft hat, den liebst du für immer, und zwar viel mehr als jenen, mit dem du jeden Morgen sprichst. Mariani hat mich durch den Wald getragen, ich spüre noch heute den Schmerz im Bein bei der Erschütterung, wenn dieser Idiot über eine Wurzel stolperte. Man müsste mir das Bein amputieren, wenn ich darauf verzichten soll, ihn zu sehen. Ich bin verwundet worden, und er ist an einer Stelle verwundet worden, wo ich unversehrt bin. Wir betrachten uns als zwei kaputte Typen, die wissen, warum sie kaputt sind.
Ich mag seine Jungs nicht, aber ich weiß, warum sie bei ihm herumlungern. Die politischen Ansichten der SIFF sind dumm, einfach saudumm. Und ich kenne diese Art von Dummheit nur zu gut, es ist dieselbe wie damals in Algerien, wo wir nie zu regieren verstanden haben. De Gaulle bezeichnete die Menschen dort als Schreihälse, und er hatte mit dieser Niederträchtigkeit oft sogar recht. Dort wurde viel geschrien. Das Zentrum der Macht war anderswo, man verließ sich auf diese Macht, ohne dass sie präsent war, und wenn irgendetwas schief ging, rief man die Armee. Man verstand nicht zu regieren, man wusste nicht einmal, was das bedeutete: Es wurden Befehle gegeben, und bei dem leisesten Widerspruch verteilte man Ohrfeigen; so wie man Kinder ohrfeigt oder wie man Hunde schlägt; wenn der Hund aufmuckte oder zu beißen drohte, rief man die Armee. Die Armee, das waren Leute wie ich, Mariani und andere solche Typen, von denen viele tot sind: Wir bemühten uns, den Hund zu töten. Das war vielleicht ein Beruf, das kann ich dir sagen! Mariani hat daran geglaubt und ist nie davon genesen, und mich hat, wie ich glaube, das Zeichnen gerettet. Ich war kein so guter Soldat, aber ich habe meine Seele gerettet.
Hundemörder«, murmelte er. »Und wenn die Hunde starben, blickten sie dich mit den Augen eines Menschen an, was sie ja immer gewesen waren. Das war vielleicht ein Leben, das kann ich dir sagen! Wenn ich Kinder hätte, wüsste ich nicht, wie ich ihnen das erzählen sollte. Dir erzähle ich das zwar, auch wenn ich nicht weiß, ob du das verstehst; du verstehst nichts von Frankreich wie fast alle.«
»Schon wieder Frankreich«, seufzte ich.
La France mit diesem emphatischen Anfangsbuchstaben, diesem langen, pfeifenden F, wie de Gaulle das Wort aussprach und wie es heute niemand mehr auszusprechen wagt, ging mir ernsthaft auf den Geist. Was mit diesem langen F gemeint war, versteht heute niemand mehr. Ich habe genug von diesem langen F, über das
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