Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Sie wünschen sich, dass man Angst hat, wenn man sie sieht. Aber in den fünfzehn Jahren, in denen sie dieses Theater machen, hat es nicht ein einziges Opfer gegeben, außer bei ein paar Entgleisungen, die auch ohne sie stattgefunden hätten. Die Schäden, die sie anrichten, stehen in keinem Verhältnis zur Anzahl der Waffen, die sie besitzen.«
»Nehmen Sie sie nicht ernst?«
»Nein, nein; aber wenn man ihnen zuhört, dann wird man verdammt ernst, und das ist das Schlimmste daran. Was die SIFF seit fünfzehn Jahren verbreitet, übt eine stärkere Wirkung aus als die etwas verfetteten Muskeln, die Theaterwaffen und der Ochsenziemer, den diese Typen im Auto liegen haben.«
»Was sie über die Rasse von sich geben?«
»Das Rassenthema ist nur leeres Gerede. Ein in einem Raum aufgehängtes Laken für ein Schattenspiel. Das Licht verlöscht, man setzt sich und dann brennt nur noch eine Funzel, die die Schatten wirft. Das Schauspiel beginnt. Man bricht in Entzücken aus, spendet Beifall, lacht, buht die Bösen aus und ermutigt die Guten; man richtet sich nur an die Schatten. Man weiß nicht, was hinter dem Laken passiert, man glaubt an die Schatten. Dahinter befinden sich echte Schauspieler, die man nicht sieht, hinter dem Laken werden echte Probleme geregelt, die wie immer soziale Probleme sind. Wenn ich jemanden wie dich mit einem heroischen Zittern in der Stimme über die Rasse reden höre, dann schließe ich daraus, dass die SIFF gewonnen hat.«
»Aber ich bekämpfe ihre Ansichten!«
»Wenn man etwas bekämpft, dann teilt man etwas. Deine Entschlossenheit bestärkt sie. Die Rasse ist keine Naturgegebenheit, es gibt sie nur, wenn man davon spricht. Die SIFF hat ein so großes Buhei darum gemacht, dass schließlich alle glauben, die Rasse sei eines unserer größten Probleme. Sie macht viel Wind, und plötzlich glauben alle, es gäbe den Wind. Man erkennt den Wind an seiner Wirkung, und dieser Logik folgend leitet man Rasse von Rassismus ab. Sie hat gewonnen, alle denken wie sie, sind dafür oder dagegen, das kann ihr egal sein: Man glaubt wieder an die Trennung innerhalb der Menschheit. Ich kann gut verstehen, dass meine gute Euridice wütend wird und diese Leute mit all dem Feuer, dessen man in Bab el-Oued fähig ist, hasst: Ich habe sie aus etwas herausgeholt, das du dir gar nicht vorstellen kannst, und sie wollen das hier wieder einführen, genau wie dort.«
»Was wollen diese Typen denn genau?«
»Sie wollen nur die Zähne zeigen und möchten, dass das dann eine Wirkung auslöst. Sie möchten, dass starke Männer freie Bahn haben, sie wünschen sich eine natürliche Ordnung, in der jeder seinen Platz hat, und dass dieser Platz dann auch sichtbar wird. Sie haben da oben im achtzehnten Stockwerk von Marianis Hochhaus ein Phalanstère geschaffen, das im heutigen Frankreich erträumte Bild des Lebens von dort. Gewaltanwendung war damals jederzeit möglich, auf das Gesetz konnte man pfeifen und sich dabei ins Fäustchen lachen. Man tat, was man zu tun hatte, und zwar gemeinsam mit Typen, die man kannte. Das Vertrauen schenkte man jemandem im Handumdrehen, dazu brauchte man nur sein Gesicht anzusehen. Die gesellschaftlichen Beziehungen basierten ausschließlich auf Macht, und das war für alle sichtbar.
Sie träumen davon, eine Meute zu bilden, sie möchten am liebsten wie ein Jagdkommando leben. Ihr verlorenes Ideal ist das einer Gruppe von bewaffneten Jungen, die einen Hauptmann in den Bergen umgeben. So etwas hat es unter gewissen Bedingungen gegeben; aber ein ganzes Land ist kein Pfadfinderlager. Und es ist tragisch, zu vergessen, dass wir am Ende verloren haben. Gewalt kennt kein Unrecht: Wenn sie scheitert, glaubt man immer, dass man mit etwas mehr Gewalt gewonnen hätte. Und daher beginnt man von neuem, mit größerer Gewalt, und verliert wieder, mit noch größeren Schäden. Gewalt ist nicht nur blind, sondern taub, und diejenigen, die sie angewandt haben, trauern ihrem Scheitern melancholisch nach und träumen davon, sie wieder anwenden zu können.
Im Krieg war alles einfach, unser Leben gründete sich auf unsere Stärke: Typen, die uns nicht ähnlich sahen, versuchten uns zu töten. Und wir sie. Wir mussten sie besiegen oder ihnen entkommen; Erfolg oder Misserfolg; unser Leben war so einfach wie ein Würfelspiel. Krieg ist einfach. Weißt du, warum es seit Ewigkeiten Krieg gibt? Weil er die einfachste Form der Realität ist. Jeder will den Krieg, um klare Fronten zu schaffen. Die verwickelte
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