Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
Vom Netzwerk:
einer Weile fuhr er dann fort.
    »Ich schlage Ihnen vor, eine Kompanie aufzustellen und in den Krieg zu ziehen. Rekrutieren Sie Partisanen auf den Inseln der Halong-Bucht. Dort haben die Leute keine Angst vor den Vietminh, sie haben noch nie einen gesehen. Sie wissen nicht, was ›Kommunist‹ bedeutet, und daher unterstützen sie uns. Rekrutieren Sie dort genug Männer, wir bewaffnen sie, und dann führen Sie mit ihnen in den Wäldern Krieg.
    Wir stammen nicht aus dieser Gegend, Salagnon. Das Klima, der Boden, das Relief, nichts kommt uns entgegen. Und deshalb reiben sie uns auf, sie kennen das Gelände, verstehen es, in dieser Umgebung zu leben und in ihr unterzutauchen. Wenn Sie Partisanen rekrutieren, können wir den Spieß umdrehen und sie auf diesem Terrain mithilfe von Leuten besiegen, die es genauso gut kennen wie sie.«
    Das Rohrgeflecht knarrte im Halbdunkel. Der Oberst ließ langsam seine Zähne sehen, die im Gegenlicht glänzten.
    »Blödsinn!«, brummte der Onkel. »Blödsinn!«
    »Offenheit ist die natürliche Sprache eines Hauptmanns, und wir akzeptieren das gern. Aber könnten Sie Oberleutnant Salagnon erklären, was Sie damit sagen wollen?«
    »Herr Oberst, nur Faschisten glauben an den Geist eines Ortes, an die Verwurzelung des Menschen in den Boden.«
    »Ich glaube daran, ohne … Faschist zu sein, wie Sie sagen.«
    »Selbstverständlich glauben Sie daran. Ihr Name geht, wie ich vermute, auf das Mittelalter zurück, es gibt bestimmt irgendeinen Ort in Frankreich, der ihn trägt; aber von jenem Boden geht kein Dunst aus, der den Geist verändern und den Körper stärken könnte.«
    »Wie Sie meinen …«
    »Die Tonkinesen kennen diese Wälder nicht besser als wir. Es sind Bauern aus dem Delta, sie kennen ihr Haus, ihr Reisfeld und sonst nichts. Und diese Berge, in denen die bewaffnete Einheit lebt, kennen sie nicht besser als wir. Der Umstand, dass sie uns aufreiben, geht auf ihre Anzahl zurück, ihre Kampfeswut und ihre Gewohnheit, im Elend zu leben; und vor allem auf ihren absoluten Gehorsam. Wenn wir so wie sie drei Tage lang auf Befehl eines Vorgesetzten stumm in einem Loch voller Schlamm verharren können und dabei alles in allem nicht mehr als eine Schale kalten Reis essen, wenn wir bei einem Pfiff aus diesem Loch hervorspringen können, um uns, wenn nötig, töten zu lassen, dann werden wir so wie sie sein, dann besitzen wir die Kenntnis des Geländes, wie Sie das nennen, und dann besiegen wir sie.
    Und selbst, wenn es Männer wären, die im Wald leben, behaupte ich, dass ein gut trainierter, motivierter, klar denkender Kämpfer, der eine intensive Ausbildung genossen hat, besser im Dschungel zurechtkommt, als jemand, der seit seiner Kindheit dort lebt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Vietminh sind keine Indianer, sie sind keine Jäger. Es sind im Wald versteckte Bauern, die sich darin ebenso verirren wie wir, sich dort ebenso unwohl fühlen, ebenso müde und ebenso krank sind wie wir. Ich kenne die Wälder besser als die meisten von ihnen, weil ich gelernt habe, darin zu leben, und Hunger, Stille und Gehorsam akzeptiere.«
    Die Katzen- oder Schlangenaugen des Oberst funkelten.
    »Tja, Herr Oberleutnant, Sie sehen, was Sie zu tun haben. Rekrutieren und erziehen Sie die Vietnamesen und kommen Sie mit einer Kompanie von Männern wieder, die Gehorsam gelernt haben und die sich weder vor Hunger noch vor den Wäldern fürchten. Und wenn es stimmt, dass der Mangel einen Mann zum Krieger macht, dann ist das angesichts der Mittel, über die das Expeditionskorps verfügt, etwas, was wir Ihnen zur Verfügung stellen können.«
    Er lächelte mit blitzenden Zähnen und schnipste mit den Fingern ein Staubkorn von seinem tadellos sauberen Kampfanzug. Diese Geste deutete an, dass die Unterredung zu Ende war und es Zeit war zu gehen. Josselin de Trambassac hatte einen feinen Sinn für Dauer, er spürte immer, wann die Eleganz es erforderte Schluss zu machen, weil alles Nötige gesagt worden ist. Den Rest musste sich jeder selbst zusammenklauben; alles zu sagen, wäre ein Verstoß gegen den guten Geschmack gewesen.
    Salagnon verließ das Büro, gefolgt von seinem Onkel, der die Hand zu einem schlaffen Gruß an die Mütze legte und die Tür hinter sich zuschlug. Sie gingen mit auf dem Rücken verschränkten Händen über den langen Gang und betrachteten den gekachelten Boden. Sie begegneten Ordonnanzen mit Aktenordnern, gebräunten Offizieren, denen gegenüber sie einen Gruß andeuteten, annamitischen

Weitere Kostenlose Bücher