Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
wieder auf, aber man wusste nie, wer. Es dauerte eine Weile, bis er die Unterschiede zwischen ihnen bemerkte.
»Die Annamiten sind uns eher treu«, hatte man ihm gesagt, »sie mögen die Vietminh nicht, die zumeist aus Tonkin stammen; aber nehmen Sie sich trotzdem vor ihnen in Acht, sie können Mitglieder einer Sekte, einer kriminellen Vereinigung oder ganz einfach kleine Ganoven sein. Sie können ihrem unmittelbaren Interesse gehorchen oder ein fernes Ziel verfolgen, das Sie nicht verstehen, und sie können Ihnen sogar treu bleiben. Aber Sie werden nie erfahren, woran Sie sind; nur wenn man Ihnen die Gurgel durchschneidet, haben Sie den Beweis für ihre Untreue, aber das ist dann ein bisschen spät.«
Salagnon lernte auf dem Südchinesischen Meer sehr bald in Shorts und mit einem Dschungelhut auf dem Kopf zu leben, er war schnell so gebräunt wie die anderen, und sein Körper härtete sich ab. Das große, gefächerte Segel blähte sich Stück für Stück auf, die Spanten des Schiffes knarrten, er spürte, wie sich die Balken bewegten, wenn er sich auf das Schanzkleid lehnte oder sich im Schatten des Segels aufs Deck legte, und davon wurde ihm ein bisschen schlecht.
Sie blieben stets in Sichtweite der Küste, kontrollierten die mit Reis beladenen Lastkähne, die zwischen den kleinen Häfen des Deltas verkehrten, sie kontrollierten die Dörfer, die im Sand errichtet waren, wenn es Sand gab, oder auf Pfählen im Fluss-Schlamm, knapp über den Wellen. Manchmal fanden sie ein altes Steinschlossgewehr, das sie beschlagnahmten, so wie man ein gefährliches Spielzeug beschlagnahmt, und wenn ein mit Reis beladener Lastkahn nicht die erforderlichen Genehmigungen hatte, versenkten sie ihn. Sie nahmen die Kulis an Bord ihrer Dschunke und setzten sie am Ufer ab, oder wenn das Ufer nicht weit entfernt war, warfen sie sie ins Wasser, um sie zurückschwimmen zu lassen, und dabei lehnten sie sich auf das Schanzkleid und ermunterten sie mit dröhnendem Gelächter.
Sie lebten mit nacktem Oberkörper, knüpften sich ein Tuch um den Kopf und hatten stets ein Haumesser dabei, das sie an ihren Gürtel hängten. Sie stellten sich auf das Schanzkleid, hielten sich an den Fallen des Segels fest, beugten sich über das Wasser und beschatteten mit einer Hand die Augen in einer schönen Pose, die ihnen zwar nicht erlaubte, sehr weit zu sehen, ihnen aber großen Spaß machte.
Die Dörfer an der Küste bestanden aus strohgedeckten Bambushütten auf dünnen Pfählen, von denen kein einziger gerade war. Sie trafen nur selten Männer darin an, man sagte ihnen, sie seien beim Fischfang auf dem Meer oder hoch oben im Wald auf der Suche nach Holz, sie kämen später wieder. Am Strand über den ganz schmalen Booten, die abends an Land gezogen wurden, waren kleine Fische zum Trocknen an Leinen aufgehängt; ein furchtbarer Geruch ging von ihnen aus, bei dem ihnen dennoch das Wasser im Mund zusammenlief, er haftete allem an: den Dörfern, dem Essen, dem Reis und auch der Gruppe annamitischer Seeleute, die wortlos die Dschunke steuerten.
Aus einem Dorf schoss man auf sie. Als sie gerade ganz in der Nähe des Ufers gegen den Wind segelten, ertönte ein Schuss. Sie erwiderten das Feuer mit dem Maschinengewehr, eine Hütte stürzte ein. Sie wendeten und wateten misstrauisch, aber voller Eifer durch flaches Wasser an Land. Sie fanden in einer Bambushütte ein französisches Gewehr und eine halbvolle, mit chinesischen Schriftzeichen versehene Kiste Handgranaten. Das Dorf war klein, sie setzten es in Brand. Es fing sofort Feuer wie mit Stroh gefüllte Obstkisten, sie hatten nicht den Eindruck, Häuser zu verbrennen, sondern nur Hütten oder Strohballen, aus denen sehr schnell hohe, knisternde und fauchende Flammen schlugen und die dann zu leichter Asche in sich zusammenfielen. Außerdem weinten die Dorfbewohner nicht. Sie blieben eng zusammengedrängt am Strand, Frauen, kleine Kinder und Greise, alle jungen Männer fehlten. Sie senkten den Kopf, brummelten etwas, aber leise, und nur ein paar Frauen kreischten schrill. All das sah nicht nach Krieg aus. Nichts von dem, was sie taten, glich einer Strafmaßnahme oder einem historischen Gemälde einer brennenden Stadt. Sie zerstörten nur Hütten, ein ganzes Dorf mit Hütten. Sie standen im Sand und betrachteten die Flammen, die Hütten stürzten mit dem Funkeln von Stroh ein, und der Rauch verlor sich am weiten, tiefblauen Himmel. Sie hatten niemanden getötet. Sie gingen wieder an Bord und ließen aus dem Sand
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