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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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werden. Noch in derselben Nacht machten sich mehrere Männer aus dem Staub. Der Wald sagte den Fischern nicht zu. Er sagt niemandem zu. Als sie zum ersten Mal beschossen wurden, war das nicht so schwierig, wie sie sich das vorgestellt hatten. Der Gedanke, dass der Gegner einen töten will, dass er alles dransetzt, nicht locker lässt, ist nur unerträglich, wenn man daran denkt, aber man denkt nicht daran. Eine dunkle Wut blendet die Kämpfer während der gesamten Dauer des Kugelhagels. Ideen und Gefühle treten in den Hintergrund, was zählt, sind nur noch Stellungswechsel, sich kreuzende Schusslinien, Flucht, Sturmangriffe, ein furchtbares, aber sehr abstraktes Spiel. Was zählt, ist schießen oder erschossen zu werden. Eine Atempause genügt, um wieder daran zu denken, dass es unerträglich ist, beschossen zu werden; aber es ist immer möglich, nichts zu denken.
    Zu schwierige Gedanken kann man im Keim ersticken, aber anschließend kommen sie wieder, im Schlaf, in der Stille der Abende, in unerwarteten Gesten, in plötzlichen Schweißausbrüchen, die einen überraschen, denn man begreift deren Ursache nicht, aber all das findet zum Glück erst später statt. In der Situation selbst ist es durchaus möglich, nicht zu denken und auf der Grenze, die eine Geste von der nächsten trennt, zu balancieren.
    Es ist ulkig, wie Gedanken sich ausdehnen oder aber verschwinden können, wie sie sich endlos in die Länge ziehen oder auf ein Minimum reduzieren können, auf eine klickende Mechanik aus ineinandergreifenden Zahnrädern, die sich alle mit denselben kleinen Stößen drehen. Das Denken ist eine Rechnung, die nicht immer aufgeht, sich aber immer fortsetzt. Salagnon lag inmitten von Blättern mit der Nase auf dem Boden und dachte daran; es war nicht der geeignete Moment dafür, aber er konnte sich nicht rühren. Die dumpfen Geräusche beim Abschuss der Geschosse folgten ganz kurz aufeinander, fünf, er hatte sie gezählt; ihr Pfeifen verschmolz miteinander, und die Granaten schlugen fast gleichzeitig ein, in einer Reihe, der Boden zitterte unter seinem Bauch. Eine Garbe aus Erde und Holzsplittern hagelte auf ihren Rücken, auf ihre Dschungelhüte und ihr Marschgepäck; die kleinen Kiesel klirrten auf dem Metall ihrer Waffen, die Granatsplitter taten nicht allzu weh, wenn sie hinabfielen, aber man durfte sie nicht anfassen, denn sie waren sengend heiß und messerscharf. Sie schießen auf einen Befehl hin, fünf Granatwerfer in einer Reihe. Ich hätte nicht gedacht, dass die Annamiten so gut organisiert wären, dachte er. Aber es sind Tonkinesen, die keinen Spaß verstehen, Typen wie Maschinen, die methodisch das ausführen, was sie zu tun haben. Sie sind in einer Reihe in Stellung gegangen, und neben ihnen steht ein Offizier mit einem Fernglas, der ihnen mit einer Kommandoflagge Befehle erteilt. Eine neue Salve ging los und schlug noch näher ein. Die nächste Salve ist für uns, sagte er sich. Die Explosionen wühlen die Erde in gerader Linie auf, wie eine Furche. Jeweils fünf Meter zwischen zwei Furchen. Zwanzig Sekunden zwischen zwei Salven, so lange, bis die Erde wieder auf den Boden gefallen ist, der Offizier durchs Fernglas das Ergebnis gesehen hat und den Schusswinkel hat höher einstellen lassen, dann senkt er wieder die Kommandoflagge. Die Granaten schlagen fünf Meter weiter ein. Sie dringen methodisch Stück für Stück vor. Sie warten, bis sich die Staubwolke verzieht, ehe sie eine neue Salve abfeuern, sie wissen, dass ihre Gegner in einer Reihe auf dem Bauch liegen und wollen sie methodisch niederstrecken, alle auf einmal. Noch drei Salven, dann haben sie uns. Die Erde zittert, eine Garbe aus Kieseln und Splittern hagelt wieder auf sie ein. »Beim nächsten Mal stürmen wir los, sobald es eingeschlagen hat, sag das weiter. Wir stürmen geradeaus in die Einschusslöcher vor uns und gehen in Deckung, ehe die wieder was sehen können.« Das Pfeifen zerriss den Himmel, dann folgte der Einschlag, als fielen Bleikisten vom Himmel. Sie rannten durch die herabstürzende Humuserde, liefen durch den Staub und warfen sich dann in Löcher aus frisch aufgeworfener Erde. Das Herz klopfte ihnen zum Zerspringen, zwischen den Zähnen knirschte Sand und Erde, sie drückten den Gewehrkolben an sich und hielten ihren Hut fest. Die nächste Salve. Sie ging über sie hinweg, riss dort, wo sie noch eben gelegen hatten, den Boden auf wie eine Reihe von Spatenstichen, die sie zerhackt und begraben hätten, Regenwürmer, aber tot. Die

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