Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
trieben und die Menschen verschlangen.
Um das Delta abzuriegeln, waren im Hinterland in regelmäßigen Abständen verschanzte Posten errichtet worden, um den Durchgangsverkehr zu überwachen, von Barrieren umgebene hohe viereckige Türme, damit man daraus einen möglichst weiten Blick hatte. Und mit wie vielen Soldaten waren sie besetzt? Mit drei Franzosen und zehn Hilfswilligen, sie bewachten ein Dorf, überwachten eine Brücke und stellten Frankreichs Präsenz im feuchten Labyrinth aus Flussarmen und Büschen sicher. Dem Führungsstab war jeder dieser Posten ein in eine Landkarte gestecktes Fähnchen wert, das herausgezogen wurde, wenn der Posten über Nacht zerstört worden war.
Man hatte Salagnon und seine Männer losgeschickt, um einen kriegswichtigen Posten zu verstärken. Sie näherten sich ihm auf dem Weg über den Damm, diesmal in vorschriftsmäßigem Abstand aufgereiht, wobei jeder in die Fußstapfen seines Vordermanns trat. Das hatte Salagnon ihnen beigebracht, denn die Wege waren voller eingegrabener Fallen. Mehrere Reihen von Bambuszäunen schützten den Posten und ließen nur einen schmalen Durchlass zu dem Turm aus Mauerwerk, genau gegenüber einer Schießscharte, aus der der gelöcherte Laufmantel eines Maschinengewehrs hervorlugte. Von den zugespitzten Bambusstäben rieselte schwarzer Saft. Sie waren mit Büffeljauche bestrichen, damit die Wunden, die sie hervorriefen, sich auf jeden Fall infizierten. Salagnon und seine Männer machten halt. Die Tür unter der Schießscharte war geschlossen; sie befand sich in ziemlicher Höhe, und keine Treppe führte hinauf. Man brauchte eine Leiter, um hinaufzusteigen, eine Leiter, die nachts eingezogen und im Inneren aufbewahrt wurde. Darunter befanden sich auf Pfählen die aufgespießten Köpfe von zwei Vietnamesen, der durchgeschnittene Hals mit schwarzem Blut verschmiert, die geschlossenen Augen von summenden Fliegen bedeckt. Es war sehr heiß auf dem freien Gelände vor dem Posten, aus den Reisfeldern ringsumher stieg eine unangenehme Feuchtigkeit auf, Salagnon hörte nur das Geräusch der Fliegen. Manche flogen bis zu ihm und flogen dann wieder weg. Er rief. In dem von der Sonne erdrückten, von Wasserflächen umgebenen flachen Gelände hatte er den Eindruck, eine dünne Stimme zu haben. Er rief lauter. Als er mehrmals gerufen hatte, bewegte sich das Rohr des Maschinengewehrs; dann tauchte das misstrauische Gesicht eines struppigen Mannes in der Schießscharte auf.
»Wer sind Sie?«, schrie eine heisere Stimme. Ein einzelnes hervortretendes Auge funkelte unter blondem Haar.
»Oberleutnant Salagnon und eine Kompanie von Hilfswilligen aus der Bucht, um Ihnen Verstärkung zu bringen.«
»Legen Sie die Waffen ab.«
Das Maschinengewehr ratterte, Schüsse trafen in einer Linie in den Schlamm und bespritzten sie alle. Die Männer zuckten mit leisen Schreien zusammen, verließen ihre Plätze und drängten sich um Salagnon.
»Legen Sie die Waffen ab.«
Als alle Gewehre auf die Erde geworfen worden waren, öffnete sich die Tür, die Leiter wurde hinabgelassen und ein bärtiger Franzose in Shorts, mit nacktem Oberkörper und einem Revolver, der ohne Etui hinter dem Gürtel steckte, stieg hinab. Zwei mit amerikanischen Maschinenpistolen bewaffnete Tonkinesen in schwarzer Tracht folgten ihm. Sie blieben drei Meter hinter ihm regungslos stehen.
»Was soll dieser Zirkus?«, fragte Salagnon.
»Ich habe vor, am Leben zu bleiben, Sie Operettenoffizier. Bei Ihnen bin ich mir da nicht sicher.«
»Sehen Sie denn nicht, wer ich bin?«
»Doch, jetzt sehe ich, wer Sie sind. Aber ich bin aus Prinzip misstrauisch.«
»Misstrauen Sie mir?«
»Ihnen? Nein. Niemand würde Ihnen misstrauen. Aber eine Kompanie von Vietnamesen, die von einem Weißen angeführt wird, das kann gefährlich sein. Die Anzahl der Posten, die auf den Trick mit dem Legionär reingefallen sind, lassen sich kaum noch zählen. Ein europäischer Deserteur, eine Gruppe von Vietminh, die als Hilfswillige verkleidet sind, man öffnet nichtsahnend die Tür, lässt die Leiter runter und plötzlich wird einem die Kehle durchgeschnitten. Und erst als man sieht, wie das eigene Blut fließt, begreift man, dass man zu blöd gewesen ist. Nichts für mich.«
»Dann sind Sie also jetzt beruhigt?«
»Was mich angeht, ja. Was Sie angeht, ist das etwas anderes. Ihre Typen sind keine Vietminh, das ist eindeutig. Beim ersten Feuerstoß kreischend auseinander zu rennen, ist ein eindeutiges Zeichen für Amateure.«
Er
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