Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Wahrscheinlichkeit zu tun, sondern mit Gewissheit.«
Man vertraute Victorien Salagnon einen Zug thailändischer Soldaten an, die aus der Bergregion stammten, vierzig Typen, denen der autoritäre Egalitarismus der Vietminh total fremd war und die schon seit Generationen die Tonkinesen aus der Ebene nicht ausstehen konnten. Ihre Unteroffiziere sprachen ein bisschen Französisch, und außer Leutnant Mariani, der die Militärakademie absolviert hatte und gerade aus Frankreich eingetroffen war, teilte man ihm Oberleutnant Moreau und Leutnant Gascard zu, die wer weiß woher kamen. »Ist das nicht etwas ungewöhnlich, so viele höhere Dienstgrade für eine Truppe?«, fragte Salagnon. Sie hatten sich unter die Frangipani gesetzt, um ein Glas zu trinken, ehe sie am folgenden Tag den Schwarzen Fluss hinauffahren würden. »Doch.« Das schien Moreau zum Lächeln zu bringen, einem Lächeln, das wie ein Schnitt mit dem Rasiermesser zwischen seinen dünnen Lippen unter seinem schnurgeraden schwarzen Schnurrbart aussah, der auf den Millimeter genau gestutzt war und von irgendeinem kosmetischen Mittel glänzte. Es war schwer zu entscheiden, ob er tatsächlich lächelte oder nicht. Gascard, ein Koloss von rötlicher Gesichtsfarbe, nickte nur, leerte sein Glas und bestellte ein weiteres. Die Sonne ging unter, die an den Zweigen aufgehängten Lampions leuchteten in allen möglichen Farben. Moreaus straff gekämmtes und gescheiteltes Haar glänzte. »Das ist allerdings ziemlich viel; und vor allem doppelt gemoppelt.« Zum Glück war seine Stimme wärmer als dieses zu feine, zu glatte Gesicht vermuten ließ, sonst hätte er beunruhigend wirken können. Er war furchterregend, wenn er nichts sagte. »Und wie soll man das verstehen?« »Sie haben das Kommando, Sie haben sich Ihre Sporen verdient, weil Sie Schwein gehabt haben; und der Kleine, der gerade aus der Schule kommt und noch einen Sonnenbrand hat, den vertraut man Ihnen an, damit er etwas lernt.« »Und Sie?« »Wir? Wir verlieren unsere Sporen, kaum dass wir sie gewonnen haben. Gascard wegen Sauflust und ich wegen Übereifer gegenüber dem Feind und ein bisschen wegen mangelnder Höflichkeit gegenüber meinen Vorgesetzten. Aber dafür sind wir unausrottbar. Wir sind in ihren Papieren nichts mehr wert, aber wir verstehen was vom Handwerk, und darum setzt man uns hier ein. Sie sagen sich: ›Die sind wir los! Das könnte eine gute Bande abgeben: Ein Mann, der alles überlebt, zwei Typen mit Dschungelerfahrung, ein Neuling, der bestimmt was dabei lernt, und dann noch ein paar Kämpfer. Die setzen wir im Dschungel aus, dann haben die Vietminh Interesse daran, den Arsch zusammenzukneifen!‹ Wenn sich die Lage zuspitzt, ist Aberglaube genauso gut wie alles andere.«
Salagnon zog es vor, darüber zu lachen. Mit diesen beiden Typen und vierzig Männern, die seit unvordenklichen Zeiten mit den Bauern aus der Ebene Krieg führten, in die Berge zu ziehen, war in seinen Augen die beste Lebensversicherung. Sie tranken eine ganze Menge, der kleine Mariani schien sich in Indochina wohlzufühlen, dann kehrten sie im Geruch des milchigen Safts der weißen Blüten ziemlich angetrunken in ihr Quartier zurück und gingen an den erleuchteten Fenstern des Grand Hôtel du Tonkin vorbei. Drinnen waren zivile Verwaltungsbeamte, Annamiten aus hohen Kasten, Frauen mit entblößten Schultern, Offiziere der drei Teilstreitkräfte in Paradeuniformen und Trambassac im Kampfanzug, aber mit all seinen Orden und Ehrenzeichen. Das glänzte. Es gab Musik und es wurde getanzt. Sehr schöne Frauen mit langem schwarzem Haar tanzten mit ganz kleinen Schritten Walzer und zwar mit jener aristokratischen Zurückhaltung, die bei den Militärs des französischen Expeditionskorps große, verzweifelte Lieben auslöste. Moreau ging betrunken, aber mit festem Schritt auf den Wachposten am Eingang zu, schob ihn beiseite und steuerte direkt die Bar an, an der vor goldenen Tressen glänzende Generäle und Obersten mit einem Champagnerglas in der Hand halblaut diskutierten. Salagnon folgte ihm ein wenig beunruhigt, und drei Schritte hinter ihm Gascard und Mariani.
»Ich breche im Morgengrauen auf, Herr Oberst, mit guten Chancen, getötet zu werden. Ich habe unsere tägliche Ration nicht anrühren können, so sehr stank sie nach mehrfachem Aufwärmen, und mit dem Viertelliter Rotwein, den man uns serviert, könnte man unsere Waffen entfetten, so sauer ist er.«
Die hohen Offiziere wandten sich um, wagten aber nicht, diesem
Weitere Kostenlose Bücher