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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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Tonkinesen haben nichts bemerkt. Wovon das Leben manchmal abhängt.
    Dann wurde das Feuer eingestellt. Nach einem Pfiff kam eine Reihe von Soldaten mit aus Palmwedeln geflochtenen Helmen und quer vor dem Bauch hängender Waffe ohne Deckung aus dem Wald. Sie glaubten, der Gegner sei zerfetzt. Salagnon und seine Männer schossen und stürmten auf sie zu. Und dann ging alles wieder von neuem los. Und all das mit äußerster Grausamkeit. Sie schossen gemeinsam auf die Reihe der Soldaten, die wie Kegel umfielen, sie sprangen nach vorn, warfen Handgranaten, stürmten auf sie zu, schlugen Typen, die auf allen vieren herumkrochen, auf dem Boden saßen oder auf dem Rücken lagen, den Schädel und den Brustkorb auf, schlitzten mit einem Dolchstoß stehenden Soldaten den Bauch auf, gelangten schließlich zu den Granatwerfern, die in einer Reihe vor einer mit Kalk auf den Boden des Unterholzes gezogenen Linie standen, und schossen auf jene, die zwischen den Bäumen flüchteten. Der Offizier fiel, ohne seine Kommandoflagge loszulassen, mit den Füßen am Ende der Linie, das Fernglas auf der Brust. Nun konnten sie aufatmen. In solchen zu schnell vorbeirauschenden Momenten sieht man die Menschen nicht richtig. Es sind störende Massen, Säcke, in die man eine Klinge bohrt, in der Hoffnung, sie möge nicht zerbrechen, aufrechte Säcke, auf die man schießt, dann klappen sie zusammen, fallen um, stören nicht mehr, und man kann weitermachen. Salagnon zählte seine Männer. Mehrere Männer fehlten, ihre von Granaten zerfetzten Leichen lagen dort, wo sie ursprünglich Stellung bezogen hatten; sie hatten sich nicht gerührt, hatten den Befehl nicht verstanden, der von einem auf dem Boden liegenden Mann zum nächsten weitergegeben worden war, oder hatten zu spät reagiert. Leben und Tod hängen von zufallsbedingten Berechnungen ab; in diesem Fall war die Rechnung aufgegangen, wie es beim nächsten Mal ausgehen würde, war abzuwarten. Weiter oben im Wald hörten sie lange Pfeifsignale. Sie machten sich davon.
    So ging das ein paar Wochen lang. Seine Fischer hielten durch, so gut sie konnten. Sie holten sich Krankheiten, die es in der Halong-Bucht nicht gab. Die Truppenstärke nahm allmählich ab. Sie gewöhnten sich an den Kampf. Doch dann fielen sie innerhalb weniger Sekunden an einem Spätnachmittag. Sie marschierten in einer Reihe auf einem leicht erhöhten Damm, die Sonne sank am Himmel hinab, ihre Schatten wurden auf der Wasserfläche des Reisfelds immer länger, eine klebrige Hitze stieg aus dem Schlamm auf, die Luft nahm eine orangefarbene Tönung an. Sie gingen an einem lautlosen Dorf entlang. Ein in einem Bambushain verborgenes Maschinengewehr mähte sie fast alle nieder. Salagnon bekam nichts ab. Der Funker, der Dolmetscher und zwei Männer, all die, die in seiner Nähe gewesen waren, überlebten. Die Luftwaffe bombardierte das Dorf bei Einbruch der Nacht, um es in Brand zu stecken. Im Morgengrauen stocherten Salagnon und seine Überlebenden gemeinsam mit einer Abteilung, die mit Fahrzeugen hergekommen war, in der Asche herum, doch sie fanden weder Leichen noch Waffen. Die Kompanie wurde von der Verwaltung aufgelöst. Salagnon kehrte nach Hanoi zurück. Als er nachts mit offenen Augen auf dem Rücken lag, fragte er sich, warum der Feuerstoß nicht länger gedauert hatte, warum er kurz vor ihm aufgehört hatte und warum nicht zuerst auf die Spitze der Kolonne geschossen worden war. Zu überleben hielt ihn vom Schlafen ab.
    »Die Lebenserwartung eines jungen, frisch aus Frankreich eingetroffenen Offiziers übertrifft nicht einen Monat. Nicht alle sterben, aber viele von ihnen. Wenn man jedoch von der Schar der Gefallenen des ersten Monats einmal absieht, dann steigt die Lebenserwartung unserer Offiziere auf schwindelerregende Weise.«
    »Sagen Sie mal, Trambassac, haben Sie wirklich genug Zeit, um solche miesen Berechnungen anzustellen?«
    »Wie soll man Krieg führen, wenn man sich nicht auf Zahlen stützen kann? Die Schlussfolgerung aus dieser Berechnung lautet, dass man sich auf Offiziere verlassen kann, die den ersten Monat überstanden haben. Man kann ihnen die Führung übertragen, sie werden durchhalten, da sie durchgehalten haben.«
    »Das ist doch idiotisch. Haben Sie gerade dargelegt, dass man den Überlebenden die Führung überträgt? Wem sonst sollte man sie übertragen? Etwa den Toten? Uns stehen nur die Lebendigen zur Verfügung. Also hören Sie auf mit Ihrer Wahrscheinlichkeitsrechnung; Krieg hat nichts mit

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