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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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das Mikrofon durch, eine Folge von Zahlen, die er an einer Karte ablas. Salagnon zuckte die Achseln und verließ das Zelt. Er setzte sich neben Moreau; sie hatten sich mit dem Rücken an eine Bambushütte gelehnt, die Thai hockten in einer Reihe neben ihnen, sie sahen zu, wie die Lastwagen vorüberfuhren, die Geschütze auf Lafetten, die Panzer, die im Vorbeifahren den Boden erzittern ließen.
    Der Deutsche baute sich vor ihnen auf. Er war elegant wie eh und je, nur ein wenig magerer, und trug die Uniform der Fremdenlegion mit den Tressen eines Unteroffiziers.
    »Salagnon? Waren Sie das in dem Posten? Da sind Sie noch mal gut davongekommen. Eine ganze Division ist hier heute Nacht vorbeigezogen. Die haben euch wohl übersehen.«
    Zwei Legionäre folgten ihm, blond wie Karikaturen. Sie hielten ihre Waffen schussbereit an der Hüfte, den Riemen über der Schulter, und den Zeigefinger am Abzug. Er sprach Deutsch mit ihnen, und sie stellten sich breitbeinig hinter ihn, als bezögen sie Posten, und überwachten die Umgebung mit furchterregender Aufmerksamkeit. Salagnon stand auf. Wenn er mit dieser Begegnung gerechnet hätte, wäre er womöglich ein wenig gehemmt gewesen. Aber zu seiner großen Überraschung war die Sache ganz einfach, und er zögerte keine Sekunde, ihm die Hand zu schütteln.
    »Europa wird immer größer, nicht wahr? Die Grenzen weichen zurück: Gestern war es die Wolga, heute ist es der Schwarze Fluss. Wir entfernen uns immer mehr von zu Hause.«
    »Europa ist eine Idee, kein Kontinent. Und ich bin der Hüter dieser Idee, auch wenn man das dort nicht weiß.«
    »Auf jeden Fall richten Sie überall dort, wo Sie auftauchen, ziemliche Schäden an«, sagte Salagnon und zeigte auf das Gemeinschaftshaus, das noch brannte, und die zerstörte Schule.
    »Ach, das Haus, das waren wir nicht. Das war die Division der Vietminh, heute Nacht. Als sie hier angekommen sind, haben sie das ganze Dorf versammelt. Das machen sie in allen Dörfern, durch die sie gehen: Eine große Zeremonie im Schein von Fackeln, der Politkommissar sitzt an einem Tisch, vor dem die Verdächtigen einer nach dem anderen antreten müssen. Sie müssen vor dem Volk und vor der Partei Selbstkritik üben, für den geringsten Verdacht geradestehen und ihr politisches Bewusstsein beweisen. Sie haben das revolutionäre Gericht einberufen und haben diesen Typen wegen Zusammenarbeit mit den Franzosen verurteilt. Er ist erschossen und sein Haus verbrannt worden. Haben Sie nichts davon mitbekommen? Sie waren doch da oben in Ihrem Posten. Sie haben ihn nicht beschützen können. Und was die Schule angeht, wenn man das eine Schule nennen darf, war das ein Fehltreffer. Unsere Artillerie ist zwanzig Kilometer von hier stationiert und auf diese Entfernung verfehlen Geschosse manchmal ihr Ziel. Wir hatten das Gericht, das sich dort niedergelassen hatte, wo unser Zelt jetzt steht, aufs Korn genommen. Die Luftaufnahmen haben uns den Ort angezeigt. Bei unserer Ankunft brannte alles, alle waren geflohen, und wir haben den ganzen Vormittag damit verbracht, sie wieder einzufangen.«
    »Es tut mir leid für die Schule.«
    »Ja, mir auch. Schulen sind etwas Gutes. Aber hier sind die Dinge nie so harmlos, wie sie aussehen; der Lehrer gehört den Vietminh an.«
    »Haben Sie das durch die Luftaufnahmen erfahren?«
    »Durch den Nachrichtendient, mein Lieber. Das bringt viel mehr, als mit Ihren Kameraden in Ihrer Burg Verstecken zu spielen. Kommen Sie und sehen Sie sich das an.«
    Salagnon und Moreau folgten ihm, und in einigem Abstand auch die Thai. Sie gingen zwischen den Bambushütten hindurch, wo die Dorfbewohner hockten und von Legionären bewacht wurden.
    »Meine Abteilung«, sagte der Deutsche. »Unsere Aufgabe sind Ermittlung und Vernichtung. Wir finden heraus, was wir wissen wollen, fangen den Feind und beseitigen ihn. Heute Morgen haben wir alle hier versammelt. Wir haben die Verdächtigen schnell ausfindig gemacht: die Leute, die klug aussehen, die Leute, die etwas zu verbergen scheinen und die Leute, die Angst haben. Das ist eine Technik, die sich erlernen lässt; mit ein bisschen Erfahrung spürt man das, und das führt schnell zu Ergebnissen. Wir haben den Lehrer noch nicht gefunden, aber lange wird das nicht mehr dauern.«
    Ein Vietnamese, der auf den Knien hockte, hatte ein verschwollenes Gesicht. Der Deutsche baute sich vor ihm auf. Seine beiden blonden Schergen flankierten ihn, die Waffe schussbereit an der Hüfte, den Finger stets am Abzug; sie

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