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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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thailändische Unteroffizier hielt die Drähte aneinander.
    Über den Wäldern von Tonkin ist der Himmel oft verschleiert, das ständige Aufwallen der Vegetation versorgt ihn mit Nebel, Wolken und Dämpfen, die verhindern, dass man tagsüber das Blau und dass man nachts die Sterne sieht. Aber eines Nachts war der ganze Himmel zu sehen, und die Sterne tauchten auf. Salagnon hatte sich auf die Lehmmauer gelehnt, den Kopf auf einen Sandsack gestützt, und betrachtete sie. Er dachte an Euridice, die wohl nicht oft die Sterne betrachtete. Denn Algier war ständig erhellt. Und man hob in Algier nie den Kopf und blickte den Himmel an. Weil man in Algier immer redete und sich dabei beschäftigte, man blieb nachts nicht stundenlang ganz allein draußen, um den Himmel zu betrachten. In Algier gab es immer etwas zu tun, immer etwas zu sagen, immer jemanden, den man besuchte. Ganz im Gegensatz zu ihnen hier. Moreau gesellte sich zu ihm.
    »Hast du die Sterne gesehen?«
    »Sieh dir lieber den Wald an.«
    Moreau zeigte auf etwas, das sich zwischen den Bäumen her schlängelte. Man erahnte ein paar Schimmer durch den dichten Schirm der Bäume, aber da dieser im Mondlicht glänzte, war kaum etwas zu sehen. Doch wenn man lange, lange genug hinblickte, erkannte man eine ununterbrochene Linie.
    »Was ist das?«
    Ein Regiment von Vietminh, das ins Delta geht. Sie marschieren lautlos, ohne Licht. Um sich nicht zu verirren, stellen sie Laternen auf den Boden, abgeblendete Laternen, die nicht nach oben, sondern nur nach unten leuchten, damit die Kämpfer sehen, wohin sie die Füße setzen. Sie ziehen mitten durch unsere Linien, eine ganze Division, ohne dass wir etwas davon merken.«
    »Sollen wir das einfach so geschehen lassen?«
    »Weißt du eigentlich, wie viele wir sind? Die Artillerie ist zu weit entfernt. Die Flugzeuge können nachts nichts ausrichten. Wenn die Vietminh ein Signal von uns abfangen, vernichten sie uns. Wir sind die Schwächeren, deshalb ist es besser, so zu tun, als schliefen wir. Sie ziehen durch das Dorf. Die Dorfältesten werden nicht gerade glücklich darüber sein. Das Dorfoberhaupt riskiert seinen Kopf.«
    »Dann unternehmen wir also nichts?«
    »Nein.«
    Sie verstummten. Eine leuchtende Linie, die nur sie sahen, zog durch die Landschaft.
    »Irgendwann erwischt es uns, mein Lieber, irgendwann. Früher oder später.«
    Morgens stieg eine Rauchsäule aus dem Dorf auf. Mit der aufgehenden Sonne tauchte eine Reihe von Flugzeugen am Himmel auf, die aus Richtung Delta kamen. Sie näherten sich mit sanftem Brummen, es waren mehrere Douglas DC -3 mit runder Nase, die eine Reihe von Fallschirmen abwarfen. Die weißen Kronen gingen am rosafarbenen Himmel nieder wie eingeschüchterte Margeriten und verschwanden eine nach der anderen im Tal, als seien sie ganz plötzlich vom Schatten verschluckt worden. Artillerielärm ertönte auf der Flanke der Hügel; ganze Waldstriche brannten. Das Getöse ließ nach, und nachmittags bekamen sie einen lauten, gut verständlichen Funkspruch.
    »Sind Sie immer noch da? Die mobile Einsatzgruppe hat das Dorf zurückerobert. Nehmen Sie Kontakt zu ihr auf.«
    »Das Dorf zurückerobert? Wann hatten wir diese Stellung denn verloren?«, brummte Moreau.
    Sie gingen hinab. Eine ganze Armee hatte sich auf der Kolonialstraße breitgemacht. Lastwagen voller Männer fuhren im Schritttempo den Hang hinauf, Panzer standen am Rand der Piste mit auf die rauchenden Hügel gerichtetem Kanonenrohr und schossen. Die Fallschirmjäger befanden sich ein wenig abseits, lagen im Gras, reichten Zigaretten untereinander herum und betrachteten die verschwenderische Fülle von Kriegsmaterial. Die große Hütte brannte, im Dach der Schule war ein großes Loch, ein von Holzsplittern gesäumter Krater befand sich im Fußboden.
    Mitten im Dorf war ein Zelt errichtet worden mit Tischen für die Karten und die Funkgeräte, die biegsamen Antennen schwankten darüber hin und her. Offiziere waren in dem Zelt emsig beschäftigt, flüsterten Worte in Mikrofone, richteten sich nur mit kurzen Sätzen an Ordonnanzen, riefen kurze Befehle, die sogleich von Handlungen gefolgt wurden. Salagnon stellte sich einem Oberst mit Kopfhörer vor, der ihn kaum zur Kenntnis nahm. »Sind Sie die Typen aus dem Posten? Die Region ist völlig porös, das Dorf infiziert. Was haben Sie denn eigentlich getan? Blindekuh gespielt? Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber bei dem Spiel gewinnen die Vietminh.« Und dann gab er Schießbefehle über

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