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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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unerbittlich, pausenlos und ohne Nachsicht, dann bricht der Widerstand zusammen. Man muss bekannt werden lassen, dass selbst Unvorstellbares geschehen kann und niemand davor sicher ist, dann unternimmt niemand mehr etwas. Glauben Sie mir das, das weiß ich aus Erfahrung.«
    Weitere mit Soldaten besetzte Lastwagen fuhren die Kolonialstraße hinauf und verschwanden im Wald. Andere fuhren wieder hinab, brachten die Fallschirmjäger nach Hanoi zurück, wo sie neue Abenteuer erwarteten. Zwei Jagdflugzeuge näherten sich im Tiefflug mit dem Sirren blutrünstiger Mücken. Sie streiften fast die Baumkronen, flogen gemeinsam eine Kurve und warfen jeweils ein Fass ab, das trudelnd hinabfiel. Dann machten sie kehrt und verschwanden, hinter ihnen ging der Wald in Flammen auf, das Feuer verzehrte sich sehr schnell mit einer großen runden, schwarz gefleckten Flamme.
    »Sie werfen Napalm über dem Wald ab, um die zu rösten, die sich noch darin befinden«, sagte der Deutsche grinsend. »Da sind bestimmt noch welche von der Division, die vor uns hier war. Die Sache ist noch nicht erledigt.«
    »Komm«, sagte Moreau.
    Er nahm Salagnon mit, und sie gingen zum Posten hinauf, gefolgt von den Thai, die kein Wort sagten.
    »Glaubst du wirklich, dass ihnen das egal ist?«, fragte Salagnon.
    »Sie sind Thai und die Dorfbewohner Vietnamesen; ihnen ist das egal. Außerdem haben die Asiaten ein anderes Verständnis von Gewalt als wir, eine viel höhere Toleranzschwelle.«
    »Glaubst du wirklich?«
    »Du hast doch gesehen, wie sie alles über sich ergehen lassen.«
    »Sie haben keine andere Wahl …«
    »Wir haben immer das Problem der Gewissensbisse. Dieser Typ, den du kennst, dieser Deutsche, tut seinen Job ohne Gewissensbisse. Wir müssten ein bisschen weniger Rücksicht auf unser Gewissen nehmen oder ein Gewissen ohne Bisse haben, um es so zu machen wie sie. So machen es die Vietminh, und deshalb gewinnen sie. Aber Geduld, sie sind nur ein Stück voraus, höchstens ein paar Jahre oder vielleicht nur ein paar Monate. Nach alledem, was wir heute getan haben, werden wir bald so sein wie sie und der Deutsche. Und dann sehen wir weiter.«
    »Aber wir haben doch gar nichts getan.«
    »Du hast all das mit angesehen, Victorien. Auf diesem Gebiet gibt es fast keinen Unterschied zwischen denen, die etwas tun, und denen, die nur zusehen. Dazwischen liegt nur etwas Zeit. Ich spreche aus Erfahrung: Ich habe alles an Ort und Stelle gelernt, indem ich zugesehen habe. Und heute kann ich mir nicht mehr vorstellen, nach Frankreich zurückzukehren.«
    Die Nacht war so verschleiert, dass sie kaum etwas sehen konnten. Der Angriff auf den Posten kam urplötzlich. Schatten glitten durch das hohe Gras, ihre mit Reifengummi besohlten Sandalen erzeugten kein Geräusch. Ein Hornsignal weckte alle. Die Vietminh rannten brüllend auf den Posten zu, die ersten Männer verschmorten auf den Drähten, mit denen die angespitzten Bambuspfähle verflochten waren. Der knisternde Strom versprühte blaue Funken, man sah die Männer mit weit aufgerissenen Augen, offenem Mund und blitzenden Zähnen schreien. Salagnon schlief in Shorts, er glitt in seine Schuhe, ohne sie zu verschnüren, sprang aus dem Bett, packte seine Waffe, die unter dem Bett lag und rannte aus der Kasematte. In dem Graben häuften sich die Schatten von Vietminh auf den spanischen Reitern. Gascards Fallen erzielten die erhoffte Wirkung, Körpersilhouetten kippten nach vorn, brachen plötzlich ein und schrien vor Schmerz, da sie mit dem Fuß in ein mit zugespitzten Bambusstäben gespicktes Loch gerutscht waren. Die Maschinengewehre der Ecktürme beharkten das Gelände hinter der Mauer mit Dauerfeuer, ihr roter Schein und das Aufflammen der Handgranaten illuminierten das Gesicht der fallenden Vietminh im Augenblick ihres Todes. Salagnon brauchte nichts zu sagen, keinen Befehl zu erteilen, bei diesem Lärm wäre sowieso kein Wort zu hören gewesen. Jeder wusste, was er zu tun hatte und tat, was er konnte. Anschließend würde man weitersehen. Er lief zu zwei thailändischen Hilfswilligen, die oben auf dem Lehmbau saßen, mit dem Rücken an die Brüstung gelehnt, hinter der der Feind den Angriff führte, und neben ihnen stand eine offene Kiste. Sie entnahmen ihr eine Handgranate, entsicherten sie und warfen sie, ohne hinzusehen, nach hinten über die Schulter, so wie man es mit den Schalen von Sonnenblumenkernen tut. Sie explodierte unten vor der Mauer mit hellem Aufblitzen und einer Erschütterung, die die

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