Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
überwachten mit eiskaltem Blick das freie Gelände ringsumher, es wirkte wie inszeniert, sodass alle sehen konnten, was da vor sich ging. Der Deutsche nahm das Verhör wieder auf. Die Vietnamesen senkten den Kopf, drängten sich zitternd zusammen, hockten da wie eine kompakte Masse. Die Legionäre ringsumher sahen der Sache teilnahmslos zu. Der Deutsche stellte schreiend Fragen in von seinem Akzent elegant verformtem Französisch, ohne je die Beherrschung zu verlieren. Und der mit blutendem Gesicht auf dem Boden kniende Vietnamese antwortete ihm einsilbig, in mit klagendem Ton hervorgebrachten Französisch, das nur schwer verständlich war, denn er sagte nie einen vollständigen Satz und spie roten Schleim aus. Einer der Schergen schlug ihn, sodass der Mann zusammenbrach, der Legionär versetzte ihm weiterhin Fußtritte, ohne dass sich die Gesichtszüge des am Boden liegenden Mannes verkrampften; die dicken Profilsohlen zerquetschten sein Gesicht, während der andere Legionär mit schussbereiter Waffe die Umgebung überwachte. Bei jedem Tritt zuckte der Vietnamese zusammen, Blut spritzte ihm aus Mund und Nase. Der Deutsche ließ nicht locker, stellte weiterhin brüllend Fragen, geriet dabei aber nicht in Wut, für ihn handelte es sich um Arbeit. Moreau sah der Szene voller Verachtung zu, sagte aber kein Wort. Die hinter ihnen hockenden Thai warteten gleichgültig; was mit den Vietnamesen geschah, ging sie nichts an. Die Frauen drückten ihre Kinder an sich, verbargen ihr Gesicht, plärrten in so schrillen Tönen, dass man nicht wusste, ob sie etwas sagten oder weinten; die wenigen anwesenden Männer rührten sich nicht, sie wussten, dass sie bald an die Reihe kommen würden. Salagnon hörte zu. Der Deutsche stellte seine Fragen auf Französisch, und der Vietnamese antwortete auf Französisch. Es war weder die Sprache des einen noch des anderen, aber im Dschungel von Tonkin war Französisch die international gebräuchliche Sprache für gewaltsame Verhöre. Das verwirrte Salagnon viel mehr als die körperliche Gewalt, die ihm nichts mehr ausmachte. Blut und Tod waren ihm inzwischen gleichgültig geworden, nicht aber der Gebrauch der Muttersprache, um eine solche Gewalt zum Ausdruck zu bringen. Aber auch das würde vorübergehen, und die Worte, die diese Gewalt zum Ausdruck brachten, würden verschwinden. Er sehnte sich nach dem Tag, an dem man diese Worte nicht mehr verwenden und an dem endlich Stille eintreten würde.
Der Deutsche stieß einen kurzen Befehl aus und wies dabei auf eine Frau; zwei Soldaten gingen auf die am Boden hockenden Vietnamesen zu und richteten die Frau auf. Sie schluchzte, versuchte das Gesicht hinter ihrem unordentlich herabhängenden Haar zu verbergen. Er sagte, diesmal wieder auf Französisch: »Ist das deine Frau? Weißt du was mit ihr geschieht?« Einer der Schergen hielt sie fest. Der andere riss ihr das Kleid vom Körper, sodass kleine spitze Brüste zu sehen waren, kleine Wölbungen von heller Haut. »Weißt du, was wir mit ihr machen können? Nein, wir töten sie nicht, und wir tun ihr nicht weh, wir geben uns nur ein bisschen mit ihr ab. Also?« »Unter der Schule«, flüsterte der Vietnamese kaum hörbar.
Der Deutsche machte ein Zeichen, zwei Soldaten rannten los und kamen mit dem Lehrer wieder, den sie hinter sich her zogen. »Ein Versteck unter der Schule.« »Na also.«
Der Deutsche machte mit dem Handrücken die Bewegung des Wegfegens, und die Schergen hoben den verhörten Vietnamesen auf, den sie ohne überflüssige Brutalität stützten; sie nahmen ihn und den Lehrer zum Waldrand mit, ein Stück abseits. Er zündete sich eine Zigarette an und ging zu Salagnon zurück.
»Was machen Sie mit ihnen?«
»Ach, die beseitigen wir.«
»Wollen Sie den Lehrer nicht verhören?«
»Wozu? Er ist identifiziert und gefunden worden; er war das Problem. Und auch der Chef des Dorfes, der ein doppeltes Spiel spielte, aber die Vietminh haben ihn vor uns geschnappt. Jetzt ist das Dorf gesäubert. Vietminhfrei.«
»Sind Sie sicher, dass der Lehrer der Verantwortliche der Vietminh war?«
»Der Mann hat ihn doch denunziert, oder etwa nicht? Und in der Lage, in der er sich befand, lügt man nicht, das können Sie mir glauben.«
»Wenn Sie zwei Typen aufs Geratewohl beseitigt hätten, wäre das aufs Gleiche hinausgelaufen.«
»Das ist völlig unwichtig, junger Mann. Die persönliche Schuld ist völlig unwichtig. Terror ist ein Allgemeinzustand. Wenn man die Sache richtig anfasst,
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