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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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raste mit ihm durch das gesamte Gebäude, setzte sich anschließend ganz allein mit dem Hund in den Speisesaal und meinte gegenüber der Polizei, jetzt könne die Bombe losgehen. In diesem Vorfall kommt ein gewisser Fatalismus, eine gewisse Lebensmüdigkeit zum Ausdruck.
    Die Düsseldorferin war jene Freundin, die Hannelore bis drei Tage vor ihrem Selbstmord in Ludwigshafen besucht hatte. Noch heute macht sie sich Vorwürfe, nicht länger bei ihr geblieben zu sein. Irene Ludwig gehört zu den zwanzig Empfängern, denen Hannelore einen Abschiedsbrief schrieb. Unter dem Datum »heute« steht zu lesen: »Liebe Irene, es ist sehr schwer, einen Abschiedsbrief zu schreiben. Ich danke Dir für Deine Freundschaft und Deine Hilfe, für gute Worte und Vertrauen in guten wie in schlechten Tagen. Behalte mich in Deinem Herzen. Deine Hannelore.«
    Hannelore brachte ihre Freundinnen nie zusammen, sie pflegte Individualfreundschaften. Jede Freundin hatte ihren eigenen, ganz besonderen Draht zu Hannelore. Erst aus Anlass ihrer Beisetzung lernten sie sich flüchtig kennen.
    Auch deshalb kannte so gut wie niemand Christine Esswein, wohl die Einflussreichste im Netz von Hannelores Freundinnen. Die Witwe eines erfolgreichen Karlsruher Bauunternehmers war eine zentrale Figur im Leben der Hannelore Kohl. Die sieben Jahre ältere Christine Esswein soll eine der schönsten Frauen Deutschlands gewesen sein und über gesellschaftliche Kontakte verfügt haben, die weit über die Bonner Parteigrenzen hinausgingen. Als ihr Ehemann 1971 starb, führte sie das Bauunternehmen weiter, das damals zu den führenden mittelständischen Unternehmen seiner Art in Baden-Württemberg gehörte. Die seit 1988 als Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland im Fürstentum Monaco wirkende Unternehmerin engagierte sich im künstlerischen, wissenschaftlichen und sozialen Bereich. Hannelores Freundin saß in mehreren Stiftungen und wurde für ihr Engagement mit höchsten Orden ausgezeichnet. Seit 1973 verfügte sie über einen Zweitwohnsitz in Monaco, und nach Gründung des »Internationalen Deutschen Clubs des Fürstentums Monaco« wurde sie schon bald seine Präsidentin. Hannelore Kohl war von dieser Frau begeistert, von ihrer Lebensweise, ihrer Art und ganzen Attitüde. Viele Male verbrachte die Kanzlergattin Zeit mit ihr in Monaco, reiste mit ihr und genoss die gemeinsamen Unternehmungen. Untadelig in Auftreten und Stil, gehörte Christine Esswein zu den ganz wenigen Menschen, deren Rat Hannelore blind vertraute. Eine gewisse Ähnlichkeit in den Lebensstrukturen verband sie besonders. Mit niemandem sonst tauschte sich Hannelore so intensiv und so häufig aus wie mit der erfolgreichen Unternehmerin, deren Eigenständigkeit die Freundin faszinierte. Die sehr vermögende Christine Esswein behauptete sich erfolgreich im Beruf und pflegte einen Lebensstil, den Hannelore bewunderte, mochte und an dem sie mit Genuss und Freude teilhatte, wenn sich die beiden sahen. Die Frauen tauschten sich intensiv über alle Fragen und Probleme aus, die Hannelore beschäftigten. Die Freundin aus Karlsruhe war sicher auch Beraterin in Geschmacksfragen, in denen Hannelore zeitweise etwas festgefahren war. Bei Christine, die über große Menschenkenntnis verfügte, konnte Hannelore ihr Inneres öffnen, sich ausweinen und klagen, was sie sonst nicht tat. Im Hause Esswein hatte sie das Gefühl, aus sich herausgehen und endlich mal sie selbst sein zu können. Sie konnte Spaß haben ohne Ende und viel lachen, was ihr sonst nicht immer leichtfiel. Die gemeinsame Zeit mit Christine Esswein war für Hannelore jedes Mal wie ein Jungbrunnen, von dem sie lange zehrte. Wenige Tage nach ihrem 70. Geburtstag, zu dem die gesamte Familie Kohl erschienen war und zu dem die Großen der Republik aus Kunst und Wissenschaft, aus Wirtschaft und Industrie nach Karlsruhe geeilt waren, erlitt Hannelores lebenslustige Freundin überraschend einen Schlaganfall, von dem sie sich nie mehr erholte.
    Eine enge Freundin von Christine Esswein, die ihr bis zum Tode ganz nahe stand und sie als eine der ganz Wenigen oft in der Privatklinik am Tegernsee besuchte, war die Sopranistin Edda Moser. Hannelore hatte die große Sängerin und namhafte Mozart-Interpretin Ende der Achtzigerjahre im Hause Esswein kennengelernt. Hannelore bewunderte Edda Moser, die mit Können und Disziplin eine bemerkenswerte Karriere durchlaufen hatte. Neugierde auf beiden Seiten und Edda Mosers Verehrung für den Kanzler der Republik legten

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