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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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Position nicht geschwächt wurde. Neben dem harschen Ton der Presse setzte ihm die innerparteiliche Kritik an seinem Führungsstil zu. Der Dauerstreit zwischen ihm und dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß nahm unerträgliche Formen an. Der CSU-Chef lieferte mit seinen Angriffen auf Kohl den Unionsgegnern hinreichend ätzenden Stoff. Im Mittelpunkt stand dabei immer das Verhältnis der Unionsparteien zur FDP. Strauß hätte am liebsten die Liberalen aus dem Bonner Parlament katapultiert, während Kohl nur mit Hilfe der FDP eine Chance sah, die Macht am Rhein zu erobern. Hannelore mochte den Bayern überhaupt nicht, ohne es sich nach außen anmerken zu lassen, und empfahl ihrem Mann, die Freundschaft aufzukündigen und mit ihm zu brechen.
    Den Umgang des Bundeskanzlers mit dem Oppositionsführer fand Hannelore gleichermaßen unredlich und eines Spitzenpolitikers eigentlich unwürdig. Der schneidenden Rhetorik Helmut Schmidts und seinem weltmännischen Auftreten stellten die meisten Medien mit besonderer Vorliebe den leicht hölzern wirkenden und hörbar mit pfälzischem Dialekt sprechenden Kohl gegenüber. Verspottet wurde die zweifellos unelegante Figur des Pfälzers, der auch vor den Fernsehkameras immer noch steif und ungelenk wirkte. Jede Filmaufnahme, jede Textzeile, die Kritik und Spott transportierte, verletzte die Kohl-Gattin weit mehr als ihren Mann, der zumindest nach außen hin ein dickes Fell und Gelassenheit demonstrierte. Wie es tatsächlich um ihn bestellt war, durfte Hannelore an den Wochenenden erleben, wenn er sich einmal gehen ließ und seinem Zorn und seiner Verachtung für seine politischen Gegner freien Lauf ließ.
    Das bekamen dann auch die Söhne mit, für die der Vater so gut wie keine Zeit hatte. Für sie war er der Gast im Hause, der unentwegt telefonieren, besprechen, verhandeln und entscheiden musste. Ein Familienleben nach bürgerlichen Vorstellungen gab es bei Kohls nicht. Damit hatte sich Hannelore längst abgefunden. Ihr ganzer Ehrgeiz galt daher vor allem der Erziehung ihrer Kinder: Hausaufgabenüberwachung, Engagements im Elternbeirat von Walters Gymnasium und in der Elternschaft von Peters Waldorfschule. Besonders ernst nahm sie die Elternabende. Für einen solchen Termin konnte sie sämtliche Bonner Planungen über den Haufen werfen. Sie kniete sich hinein in die Waldorfpädagogik, studierte die Lehren des Anthroposophen Rudolf Steiner, die mit der Ludwigshafener Lebenswirklichkeit oft genug kollidierten. Gleichwohl schätzte sie diesen Schultyp für ihren Sohn Peter besonders und setzte sich sogar dafür ein, Waldorfschulen staatlich anzuerkennen. Die strenge Mutter, die nur das Allerbeste für ihre beiden Söhne wollte, überließ nichts dem Zufall, überwachte penibel die schulischen Leistungen, erteilte Nachhilfe, wenn es nötig wurde. Ihre sprachlichen Talente erwiesen sich als entscheidender Vorteil, wenn es darum ging, die Kinder in Französisch und Englisch zu unterstützten. Die Planung von Schüleraustauschen entwickelte sich zu ihrem kleinen Hobby. Geschickt wählte sie Austauschfamilien in Frankreich, Belgien und Großbritannien aus, besuchte sie vorab, um sie genauer kennen zu lernen, bevor sich Walter und Peter auf den Weg in die Fremde machten. Natürlich war der Ludwigshafener Bungalow groß genug, um im Gegenzug Austauschschüler aufzunehmen. Von alledem bekam Vater Helmut so gut wie nichts mit, es sei denn, der eine oder andere Austauschschüler wurde einfach mit in den Sommerurlaub nach Sankt Gilgen am Wolfgangsee genommen. Dies geschah nicht immer zur Freude des gestressten Oppositionsführers, der auch vom Urlaubsort aus permanenten Kontakt zu seinem Büro in Bonn und den wichtigsten CDU-Spitzenpolitikern hielt. Ein Verzicht auf ständige Telefon- und Telexverbindung war ausgeschlossen. Dazu gab es keine Alternative. Kein Wunder, dass Hannelore diese seit 1969 gepflegte Urlaubstradition innerlich ablehnte und sie von Jahr zu Jahr mehr hasste. Aber ihm zuliebe gab sie klein bei. Sie war es gewohnt, Unannehmlichkeiten nicht nach außen zu tragen, Ärger herunterzuschlucken, selbst bei der größten Zumutung ihres Mannes nicht zu explodieren. Aus der Haut fahren konnte sie schon; aber selbst dies geschah ohne erhöhte Lautstärke und vor allem ohne Außenstehende. Anders als ihr Mann zeigte sie ganz selten Emotionen, ließ sich nie gehen, war selbst im engsten Familienkreis unfähig, Gefühle offen zu zeigen. Ihr Leben bestand aus permanentem

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