Die Frau an Seiner Seite
Mutter. Doch während ihr Mann in der Mainzer Zeit – wann immer möglich – in Ludwigshafen übernachtete, sahen sich die Eheleute fortan meist nur noch am Wochenende. Hannelore trauerte der Ministerpräsidentenzeit ihres Mannes nach und konnte sich mit dessen Wechsel nach Bonn lange Zeit nicht abfinden. Nur halbherzig unterstützte sie ihren Mann und fand immer wieder gute Argumente, in Ludwigshafen zu bleiben. Sie mochte die Bonner Bühne nicht und die auffallende Geschäftigkeit und demonstrative Wichtigtuerei mancher Politiker stießen sie geradezu ab. Für sie war es zu keiner Zeit eine Option, sich ganz in der Stadt am Rhein niederzulassen. Trotzdem blieb ihr nichts anderes übrig, als wieder einmal die Karriere ihres Mannes zu begleiten. Diesmal allerdings mit spürbarer Distanz und gelegentlich kaum verborgener Abneigung gegen ihre neue Rolle in Bonn.
Was sie in jener Zeit regelrecht bedrückte, war die finanzielle Unsicherheit, die der Wechsel nach Bonn mit sich brachte. Was wäre, wenn ihr Mann als Oppositionsführer scheiterte? Wenn er den Rückhalt in der Bundestagsfraktion der Union verlieren würde? Was wäre, wenn innerparteiliche Konkurrenten ihn von den einflussreichen Parteiämtern verdrängen würden? Hannelore – Finanzministerin im Hause Kohl – kannte die Kontoauszüge und wusste um die monatlichen Belastungen. Ein Großverdiener war Helmut Kohl keineswegs, und die finanziellen Verbindlichkeiten durch den Bungalow-Bau in Oggersheim waren erheblich. Mit Erbschaften war nicht mehr zu rechnen, auch gesundheitlich durfte Helmut als Alleinverdiener nichts passieren. Der Ernstfall hätte Hannelore und ihre beiden Söhne vor große finanzielle Probleme gestellt. Die Abhängigkeit von Wahlen, von Parteitagsdelegierten, von Mitgliedern der CDU-Spitzengremien machte Hannelore zuweilen sehr nachdenklich. Als Mainzer Ministerpräsident wäre ihr Mann finanziell viel besser abgesichert gewesen. Jetzt hatte sich der Politiker in mancherlei Abhängigkeit begeben, agierte ohne Netz und doppelten Boden. Die Diäten als Bundestagsabgeordneter und die finanziellen Zuwendungen als Fraktionsvorsitzender waren längst nicht so üppig wie in manch anderer Branche. Für Hannelore war – allein durch ihre Erfahrungen während der Nachkriegszeit – die Vorstellung von einem möglichen wirtschaftlichen Absturz äußerst bedrohlich. Sie wusste, was es heißt, aus gesicherter Position ins Nichts zu fallen. Sie wusste auch, was es heißt, zu scheitern, Träume aufgeben zu müssen. Helmut Kohl war erst 46 Jahre alt und musste erst lernen, sich auf den verschlungenen Wegen des Bonner Parketts in seiner neuen Position zurechtzufinden.
Wurde er einst als Mainzer Ministerpräsident nicht nur von der Landespresse, sondern auch von den überregionalen Medien als Reformer und erfolgreicher Landespolitiker gefeiert, machten jetzt große Teile des Bonner Pressekorps mobil gegen den »Provinzfürsten«. Dass er es wagte, dem sozialdemokratischen Kanzler zu widersprechen, ihm die Stirn zu bieten, glich einer Majestätsbeleidigung. Längst hatten die SPD-Wahlkampfmanager dem neuen Oppositionsführer ein Etikett angehängt, das Helmut Kohl selbst im Ausland verfolgte. »Der Mann aus Oggersheim« schien vor allem für die einflussreichen Hamburger Magazine und Zeitungen ein gefundenes Fressen zu sein. Der publizistische Gegenwind gleich zu Beginn von Kohls Bonner Oppositionszeit verunsicherte nicht nur den CDU-Vorsitzenden. Hannelore fühlte sich zutiefst verletzt. Sie musste machtlos hinnehmen, wie ihr Mann als »Provinzblödel«, »Eierkopf« und »Birne« verunglimpft wurde. Sie spürte die Phalanx der einflussreichen Presse, die den Oppositionsführer gerne als unfähig, erfolglos, uninspiriert und provinziell darstellte. Auch für die Bonner Karikaturisten war Kohl eine Steilvorlage. Über viele Jahre war er derjenige Politiker, über den am häufigsten Karikaturen in den Printmedien erschienen – größtenteils beleidigend und verletzend. Das alles ging nicht spurlos an Hannelore vorbei. Sie litt unter dem negativen Trommelfeuer, das kein Ende nehmen wollte.
Auch an den Wochenenden in Ludwigshafen ließen sich die Bonner Probleme nicht aussperren: Krisensitzungen, vertrauliche Gespräche mit engsten Mitarbeitern, stundenlange Telefonate. Kohl war auf der Suche nach einer schlüssigen Oppositionspolitik und einem Konzept für eine bessere Presse. Er musste sich anstrengen, die Fäden in der Hand zu behalten, damit seine
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